Bannt München den Diesel?

Die Luftbelastung in München, der Heimatstadt von BMW, ist höher als gedacht. Kann ein Fahrverbot für Diesel helfen?
Die Luftbelastung in München, der Heimatstadt von BMW, ist höher als gedacht. Kann ein Fahrverbot für Diesel helfen?(c) imago/allOver-MEV (imago stock&people)
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Wegen "erschreckender" Stickstoffdioxid-Werte erwägt auch Oberbürgermeister Dieter Reiter ein Fahrverbot für Selbstzünder.

Berlin/München. Dieter Reiter hat seit dieser Woche ein paar mächtige Gegner mehr. Denn Münchens Oberbürgermeister (SPD) will nun ein Fahrverbot für Dieselautos – und zwar flächendeckend. Zumindest denkt er laut und ernsthaft darüber nach. Das gibt Ärger in München, der drittgrößten Stadt Deutschlands und dem Sitz von BMW.

„So sehr ich mich freuen würde, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden“, sagte Reiter der Süddeutschen Zeitung (SZ). Der Satz drückte am nächsten Morgen kurzfristig die Aktien deutscher Autobauer, zuallererst von BMW, wo der Vorstoß umgehend abgelehnt wurde. Statt Fahrverboten solle man es doch mit einem besseren Verkehrsfluss, grüner Welle und mehr Anreizen für Elektromobilität versuchen, richteten BMW und der Verband der Automobilindustrie aus.

Diskussionen über Ausnahmen

Auslöser für Reiters Dieselvorstoß war eine Klage der Deutschen Umwelthilfe. Bayerns Verwaltungsgerichtshof verpflichtete die Stadt daraufhin, bis Ende Juni Zahlen vorzulegen. Und die haben es in sich, nicht nur am Mittleren Ring in München, wie das der Bürgermeister erwartet hatte. Über die ganze Stadt verteilt wurden die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO₂) überschritten. Statt der erlaubten 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wurden teilweise mehr als 60 Mikrogramm des giftigen Reizgases gemessen, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). „Erschreckend“ nannte Reiter die Zahlen.

Noch gibt es viele Fragen, zum Beispiel, ob München überhaupt Fahrverbote verhängen kann, oder ob das nicht Sache der Länder ist. Im Herbst entscheidet darüber das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Sind die Kommunen zuständig, will Reiter noch in diesem Jahr Beschlüsse zum Verbot für Dieselautos fassen. Genauso strittig ist die Ausgestaltung, also wer und was mit dem Dieselbann belegt wird. Sauberere Modelle der aktuellen Abgasnorm Euro 6 sind ausgenommen, genauso wie „Härtefälle“ sowie Einsatzkräfte, Taxis und Verkehrsbetriebe, kündigte Reiter an. Und was ist mit Firmen, deren Fuhrpark mit Diesel betankt wird? Von möglichen Ausnahmen „in Maßen“, schreibt die SZ. Es wäre jedenfalls ein Schlag für Münchens Autofahrer. Von den mehr als 700.000 in München zugelassenen Fahrzeugen sind 133.000 bis 170.000 ältere Diesel.

Software für saubere Luft

Nun ist die Debatte nicht neu. Sie wird in ein Dutzend deutscher Städte geführt. In Hamburg zum Beispiel hat der Senat im Mai ein ganzjähriges Dieselverbot auf den Weg gebracht, allerdings nur für zwei Verkehrsadern, die sich recht gut umkurven lassen und nicht flächendeckend, wie das nun Reiter andenkt. Im Zentrum von Stuttgart, auch so einer Autostadt, soll es ab 1. Jänner 2018 ein Fahrverbot für ältere Dieselautos geben – aber nur bei Feinstaubalarm. Und selbst das ist noch nicht sicher.

Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident, der gern vom „sauberen Diesel“ spricht und selbst einen Selbstzünder fährt, arbeitet mit der Autoindustrie an einem Kompromiss. Zum Beispiel könnten Software-Updates die Umweltbelastung durch Diesel-5-Modelle drücken. Stuttgart wird jedenfalls handeln müssen. Nirgends in Deutschland ist die Luft schmutziger als im Talkessel der Autostadt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2017)

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