Kann die Sonne Trumps Mauer zu Mexiko wirklich bezahlen?

Der Grenzwall zu Mexiko soll jetzt nicht mehr nur illegale Einwanderer abhalten, sondern auch Strom für eine Viertelmillion Haushalte erzeugen.
Der Grenzwall zu Mexiko soll jetzt nicht mehr nur illegale Einwanderer abhalten, sondern auch Strom für eine Viertelmillion Haushalte erzeugen. (c) AFP
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Der US-Präsident will den strittigen Grenzwall mit Solarpaneelen ausstatten und den Strom verkaufen, damit sich „die Mauer selbst zahlt“. Doch die Rechnung geht nicht auf.

Washington/Wien. Die Mauer zu Mexiko. Sie war eines jener umstrittenen Wahlversprechen, die Donald Trump das Präsidentenamt beschert haben. Doch das Multimilliarden-Dollar-Projekt kommt nicht so recht in die Gänge – weil niemand da ist, der es bezahlen will. Mexiko denkt nicht daran, auf Trumps Forderungen einzugehen und die Kosten für den Grenzwall selbst zu tragen. Auch der US-Kongress gibt keine oder nur minimale Mittel für den Bau frei. Nun soll die Sonne die Rechnung für die tausend Meilen (1609 km) lange Mauer begleichen.

„Wir sprechen über die südliche Grenze“, sagte Donald Trump nun bei einer Veranstaltung vor Anhängern in Iowa. „Viel Sonne, viel Hitze – wir denken darüber nach, die Mauer als eine Solarmauer zu konstruieren, die Energie produziert und sich selbst bezahlt.“ Je höher die Mauer, die eigentlich illegale Einwanderer und Drogenkuriere aus Mexiko fernhalten soll, desto wertvoller sei sie, erklärte Trump sichtlich begeistert: „Eine tolle Vorstellung, oder? Es war meine Idee.“

Die eine oder andere Gedankenstütze dürfte sich der Republikaner für die Kreation dieses Geistesblitzes jedoch genehmigt haben. Schon im April berichteten amerikanische Medien über Unternehmen, die sich mit einer „Solarwand“ um den Auftrag an der mexikanischen Grenze bewarben. Der plötzliche Enthusiasmus des Präsidenten für erneuerbare Energieträger überrascht auch deshalb besonders, weil Donald Trump erst vor wenigen Wochen den Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen von Paris besiegelt hat. Doch wenn es um die Realisierung „seiner“ Mauer geht, lassen sich auch die leidenschaftlichst vorgetragenen Überzeugungen offenbar schon einmal anpassen.

Rechnet sich erst in hundert Jahren

Doch wie realistisch ist Donald Trumps Idee nun wirklich? Kann sich eine tausend Meilen lange Mauer voller Solarpaneele quer durch dünn besiedeltes Gebiet wirklich in wenigen Jahren rechnen? Natürlich, bei einer erwarteten Höhe von neun Metern geht sich da schon eine Menge an Solarzellen aus, die gewaltige Mengen an Strom produzieren können. Dennoch wirft das Konzept mehr Fragen auf, als es Antworten gibt.

Die erste „Black Box“ bei der Kalkulation ist die Frage nach den Kosten für den Mauerbau. Trump selbst rechnet mit maximal zwölf Milliarden US-Dollar, das Department of Homeland Security schätzte die Kosten im Februar auf knapp 22 Milliarden. So unterschiedlich wie die Kostenschätzungen sind auch die Prognosen darüber, wie viel Strom eine Solarmauer tatsächlich liefern könnte.

Am konkretesten sind die Berechnungen des Unternehmens Gleason Partners aus Las Vegas, das selbst mit einem Konzept mit Fotovoltaikanlagen ins Rennen um den Milliardenauftrag gegangen ist. Den Kalkulationen zufolge koste eine Meile Solarmauer 7,5 Millionen Dollar und käme auf eine Leistung von 2000 Kilowatt. In knapp 24 Jahren wären die Kosten wieder herinnen.

Element Energy, ein Solarunternehmen aus Portland, rechnet hingegen damit, dass eine 1000 Meilen lange Mauer jährlich rund 2,657 Gigawattstunden Strom produzieren würde, der sich derzeit um rund 106 Millionen Dollar verkaufen ließe. Bei Baukosten von zehn Milliarden rechnete sich die Mauer demnach also erst in hundert Jahren.

Keine Kunden, keine Leitungen

Aber selbst diese Werte sind Experten zufolge noch optimistisch. Denn sie blenden einige teure Nebenbedingungen komplett aus: So ist das Konzept einer Solarwand, bei der Paneele vertikal angebracht werden, aus gutem Grund eher unkonventionell. Schätzungen zufolge ginge die Effizienz der Paneele durch die senkrechte Installation um die Hälfte zurück. Dazu kommt, dass die Solarpaneele idealerweise in Richtung Süden, sprich Mexiko, ausgerichtet sein müssten. Eine Antwort auf die Frage, wie die Amerikaner ihre Paneele auf dieser Seite des Grenzwalls kostengünstig reinigen, warten und reparieren sollen, steht bisher noch aus.

Offen ist auch, wer die gigantischen Strommengen (wir sprechen von Elektrizität für bis zu 220.000 US-Haushalte) eigentlich kaufen soll. Gerade einmal zwei Prozent der US-Bürger leben innerhalb eines 40-Meilen-Radius zur mexikanischen Grenze. Sie haben kaum zusätzlichen Strombedarf. Um genügend Abnehmer in den USA zu finden, müsste Trump also wohl lange, teure Stromleitungen verlegen. Nach einer Studie der britischen "Institution of Engineering Technology" käme jede Meile Übertragungsleitung auf rund 8,8 Millionen Dollar. Zur Veranschaulichung: um den Strom einmal quer durch das Land nach North Dakota zu bringen, lägen die Zusatzkosten demnach beispielsweise bei rund acht Milliarden Dollar. Selbstverständlich ließen sich auch näher Abnehmer finden.

Mehr als genug potenzielle Stromkunden fänden sich jenseits der mexikanischen Grenze. Die stark wachsenden Städte in Mexikos Norden könnten zusätzliche Stromlieferungen gut gebrauchen. Doch auch hier mangelt es an der notwendigen Infrastruktur. Und angesichts des Widerstands der mexikanischen Regierung gegen Trumps Vorhaben an sich wird sich das Land wohl auch zieren, auf eigene Kosten Stromautobahnen zur verhassten Mauer zu legen.

Ob Donald Trump der Realisierung des Projekts seiner neu entdeckten Liebe zum Solarstrom wirklich nähergekommen ist, ist also fraglich. Bei einigen republikanischen Kongressabgeordneten dürfte er mit dem Konzept allerdings durchaus offene Ohren finden.

Wirklich durchdacht wirkt der Vorstoß allerdings nicht. Denn setzt sich Trump durch, öffnet er zugleich eine andere ideologische Flanke: China erzeugt fast alle Solarpaneele weltweit. Man darf gespannt sein, wie der „America First“-Präsident seinen Wählern dieses Milliardengeschenk an den ökonomischen Rivalen wohl verkaufen wird.

Auf einen Blick

US-Präsident Donald Trump will die umstrittene Grenzmauer zu Mexiko mit Solaranlagen ausstatten und die Baukosten mit dem Stromverkauf stemmen. Ersten Schätzungen zufolge dürfte diese Rechnung jedoch nicht allzu bald aufgehen. Erst in bis zu hundert Jahren wären die Kosten demnach zurückverdient. Und das auch nur, wenn der Aufwand für den Betrieb und das kostspielige Verlegen der notwendigen Stromleitungen ausgeklammert bleibt.
Bei einigen Republikanern im Kongress stößt Trump mit dem Vorhaben dennoch auf offene Ohren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2017)

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