E-Wirtschaft zweifelt an Regierungsziel für Erneuerbarer Energie

(c) Clemens Fabry
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2030 sollen 100 Prozent des in Österreich verbrauchten Stroms aus Erneuerbarer Energie stammen. Die E-Wirtschaft hält das für nur sehr schwer erreichbar.

Österreichs E-Wirtschaft hält das von der Regierung geplante Ziel, dass 100 Prozent des hierzulande verbrauchten Stroms bilanziell übers Jahr aus erneuerbarer Energie stammen sollen, für nur sehr schwer erreichbar. Nötig seien dafür bestimmte organisatorische und ökonomische Bedingungen, erklärt der Branchenverband "Oesterreichs Energie" zum Entwurf der Klima- und Energiestrategie.

Es sollten - fett gedruckt - "realistische Ziele" definiert werden, deren Umsetzung und Erreichung auch mit entsprechenden Maßnahmen unterlegt werden könnten, wird in der Stellungnahme unterstrichen. Um realistische Maßnahmen festzulegen und umzusetzen, seien detaillierte Analysen und Berechnungen zur Machbarkeit und Leistbarkeit notwendig.

Das 100-Prozent-Erneuerbaren-Ziel für Strom im Jahr 2030 sei als "überaus ambitioniert" einzuordnen, heißt es - was Branchenkenner schon fast als "kaum erreichbar" übersetzen. Erst Anfang März hatte die E-Wirtschaft blitzartig ihre früheren Ausbau-Ziele zur Stromerzeugung nach oben revidiert. Bis dahin ging man davon aus, dass bis 2030 rund 20 Terawattstunden (TWh) an erneuerbaren Kapazitäten (Wind, PV und Wasserkraft) dazugebaut werden müssen, seit zwei Monaten aber von 35 TWh, damit in zwölf Jahren von 88 TWh Stromverbrauch nicht nur 85 Prozent, sondern 100 Prozent erneuerbar erzeugt werden können.

Investionen aktuell "betriebswirtschaftlich nicht darstellbar"

Bis März ging die Branche von je 6 bis 8 TWh PV, Wind- und Wasserkraft aus, die bis 2030 zusätzlich nötig sind. Nun wollen die Versorger zwar das Wasserkraftstrom-Angebot weiter um die schon bekannten 6 bis 8 TWh anheben, jenes aus Wind aber um 15 TWh und das aus Photovoltaik um 14 TWh erhöhen. 2016, als der Stromverbrauch in Österreich (inkl. Nettostromimporte) 72,8 TWh betrug, stammten von der Inlandserzeugung an "sauberem Strom" 40,8 TWh aus Wasserkraft, 5,4 TWh aus Windkraft und 1,1 TWh aus PV.

Investieren werden die Mitgliedsunternehmen aber nur, "wenn sich diese Projekte auch betriebswirtschaftlich darstellen lassen", warnt Oesterreichs Energie in der Stellungnahme: "Beim derzeitigen Strompreis ist das nicht der Fall." Die Stromgroßhandelspreise seien zwar wieder bei 35 Euro pro Megawattstunde (MWh), "das reicht aber nicht", gibt man in der Branche zu verstehen. Zudem könnte ein Ausbau erneuerbarer Energien, der nicht marktgetrieben sei, negative Preiseffekte hervorrufen, die Investitionen hemmen könnten, wird gewarnt.

Ein massiver Ausbau der Erneuerbaren-Stromerzeugung erfordere außerdem - parallel - einen massiven Ausbau der Stromnetze wie auch der Speicherkapazitäten; auch diese würden nur gebaut, wenn sie sich rechnen; das gelte auch für thermische Kraftwerke inklusive der in einigen großen Städten wie etwa Wien bedeutsamen Kraft-Wärme-Kopplung als Rückgrat einer ausfallsicheren Stromversicherung. Zur KWK-Bestandssicherung sei die Beschlussfassung der KWK-Punktegesetz-Novelle essenziell - sowie eine umgehende Fortsetzung des Notifikationsverfahrens bei der EU-Kommission, betont Oesterreichs Energie.

Standorte für thermische Kraftwerke offen

Ein Knackpunkt in dem Zusammenhang wird wohl die Frage sein, wo in Österreich die neuen thermischen Kraftwerke gebaut werden, die vor allem wegen der höheren Volatilität der Gesamterzeugung zur Absicherung nötig sein werden - weil ja der Anteil erneuerbaren Stroms in Summe wächst, Wind und Sonne aber nicht immer zur Verfügung stehen und auch Wasserspeicher irgendwann einmal leer sind.

Expertenschätzungen gehen von mindestens 5.000 bis 5.500 Megawatt (MW) thermischer Leistung aus, die in Österreich erforderlich sein könnten. Betrachtet man die Tages- und Jahreslastgänge, so könnte die Lücke sogar bis zu 9.000 MW betragen, insbesondere weil früher oder später auch alte Kraftwerke vom Netz gehen. Solcherart könnte die nicht mit Stromimporten deckbare Leistungslücke 7.500 MW betragen - wobei kurzfristige Lücken aber durch Speicher abgedeckt werden könnten. Zum Vergleich: Das steirische Verbund-Gaskraftwerk Mellach bringt es auf 850 MW. "Man wird zumindest soviel thermische Leistung dazubauen müssen wie historisch verloren geht", heißt es aus der Branche. Hinzu kommt, dass ab Oktober - wegen der Auftrennung der gemeinsamen deutsch-österreichischen Stromzone - nur noch maximal 4.900 MW Leistung über die Grenze angeboten werden können.

Errichtet werden könnten neue kalorische Anlagen idealerweise an bestehenden Kraftwerksstandorten. "Dürnrohr und Theiß wären geeignete Standorte", verweist ein Stromexperte auf Niederösterreich. Die EVN verfolge ja auch im Raum Hohe Wand ein Gaskraftwerksprojekt. Die Oberösterreicher könnten in Timelkam bauen - in Wien kämen als Standorte Simmering und Leopoldau in Frage. Bei der Wien Energie steht ohnedies dringend eine kalorische Investitionsentscheidung an, abhängig aber auch vom Fortgang des KWK-Themas.

(APA)

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