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Krim-Krise: Keine Bedrohung für Österreichs Gasversorgung

(c) Wintershall
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Internationale Experten sind sich einig: Russland ist seit Jahrzehnten ein bewährter Partner Europas bei der Versorgung mit Erdgas und hat weder Intentionen noch auf absehbare Zeit Möglichkeiten, das zu ändern.Advertorial

So sehr die Krim-Krise in Bezug auf die Gasversorgung Österreichs Aufregung und Verunsicherung ausgelöst hat, so sehr raten Experten wie Marc Hall, der Obmann des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen (FGW), zu Pragmatismus. Politisch gesehen sei durch die Ereignisse um die Ukraine in den vergangenen Wochen zwar eine „dramatische Situation“ entstanden, „wahrscheinlich die dramatischste seit dem Zerfall der Sowjetunion“. Aber gerade die Erdgaslieferungen aus Russland durch die Ukraine in die EU könnten ihm zufolge „eine starke stabilisierende Komponente“ bilden.

Die Industrie, aber auch die Landwirtschaft der Ukraine – Stichwort Düngemittelproduktion – seien erheblich von Erdgas abhängig. Wie sich aus dem aktuellen BP Statistical Review ergibt, verbrauchte die Ukraine im Jahr 2012 rund 49,6 Mrd. m³ Gas. Ihre Eigenproduktion belief sich auf etwa 18,6 Mrd. m³, woraus sich Importe von rund 31 Mrd. m³ errechnen. Der Löwenanteil davon entfiel mit etwa 25 Mrd. m³ auf Russland. Außerdem ist die Ukraine laut Hall das größte Gastransitland auf dem europäischen Kontinent. Österreichs Gasversorgung sieht Hall nicht in Gefahr, selbst wenn sich die Lage zuspitzen und die Ukraine die Leitungen sperren sollte.

Gute Rundumabsicherung

Dem Energiestatus der österreichischen Bundesregierung zufolge wurden 2012 insgesamt etwa rund 7,4 Mrd. m³ Gas aus Russland eingeführt. Und: Nur etwa 22 Prozent des heimischen Primärenergiebedarfs entfallen auf Erdgas, 35 Prozent dagegen auf Erdöl, gefolgt von den erneuerbaren Energien mit 33 Prozent. Die Kohle schließlich hat an der Deckung des Primärenergiebedarfs einen Anteil von rund zehn Prozent.

Hall zufolge wäre es indessen ein „fundamentaler Fehler“ zu versuchen, vollständig auf russisches Erdgas zu verzichten. Selbst das bislang größte Projekt zur Erschließung alternativer Gasquellen, die Pipeline Nabucco, hätte im Endausbau einen Import von rund 30 Mrd. m³ Gas aus dem Iran ermöglicht. Nicht gerade viel angesichts der rund 520 Mrd. m³, die die Europäische Union insgesamt jährlich benötigt.

Info

Rund 36 Prozent der Erdgasimporte, 31 Prozent der Erdölimporte und 30 Prozent der Kohleimporte der EU entfallen auf Russland.
Umgekehrt ist die EU der weitaus wichtigste Absatzmarkt für Primärenergieträger aus Russland: 80 Prozent aller Ölexporte, 70 Prozent der Gasexporte und 50 Prozent der Kohleexporte erfolgen dorthin.

Einseitige Darstellung

Ähnlich wie Hall beurteilt die Lage Otto Musilek, der langjährige Leiter des Gasgeschäfts der OMV, der seit 2007 mit seiner Management Energy Consulting (MEC) internationale Erdgasunternehmen bei strategischen Projekten berät. Ihm zufolge wird die „Abhängigkeit der EU von russischem Erdgas zumeist als einseitig dargestellt“. Tatsächlich sei aber Russland auf den europäischen Gasmarkt ebenso angewiesen wie Europa auf die Gaslieferungen aus den Feldern in Westsibirien. Seit dem Beginn der Zusammenarbeit im Jahr 1968 habe sich Russland außerdem stets als zuverlässiger Partner erwiesen.

Auch die so genannten „Gaskrisen“, also die zeitweiligen Liefereinschränkungen, die seit 2005 immer wieder auftraten, waren Musilek zufolge „keine wirklichen Krisen. Österreich hatte überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil: Wir konnten während der ersten dieser angeblichen Krisen sogar Gas für Hilfslieferungen an Nachbarländer zur Verfügung halten.“

Russland will South Stream realisieren

Auch bestehe von russischer Seite keinerlei Interesse, „es sich mit den Europäern zu verscherzen“. Unabhängig von dem seit langer Zeit schwelenden Konflikt mit der Ukraine habe die Gasexportgesellschaft Gazprom Export die Nord-Stream-Pipeline sowie die Jamal-Leitung gebaut. Der Bau des ersten Abschnitts der South Stream durch das Schwarze Meer sei im Gang, betont Musilek: „Russland hat sehr viel Geld in die Hand genommen, um die Infrastruktur zu bauen und damit die Gasversorgung Europas noch besser abzusichern. Das macht man nicht aus Jux und Tollerei.“

Wesentlich mehr Grund zur Sorge bestünde laut Musilek, „wenn Russland nicht mehr in die westsibirischen Felder oder in Jamal investieren würde. Denn das Gasgeschäft ist ein sehr langfristiges. Wenn kein Geld mehr in die Infrastruktur fließt, entsteht mittel- bis längerfristig wirklich eine Krise. Aber das ist nicht im Interesse der Russen, weil sie am Gasverkauf interessiert sind.“

Wenig realistische Alternativen

Realistische Alternativen zum Bezug russischen Erdgases gibt es Musilek zufolge kaum. Die Inlandsförderung lasse sich nicht in einem Maße erhöhen, das es erlaube, die Importe nennenswert zu reduzieren. Hinsichtlich der Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen – etwa Schiefergas – setzten die Umweltauflagen europaweit enge Grenzen. Laut Musilek ist das kaum gerechtfertig, weil das Fracking (das Aufbrechen der gasführenden Gesteinsschichten, um den Gasfluss zu verbessern) seit Jahrzehnten angewandt wird und Untersuchungen durchgeführt werden, um das Fracking noch umweltverträglicher zu machen. Doch zurzeit sei das Thema „emotional so besetzt, dass kaum Chancen bestehen, die Methode vernünftig weiterzuentwickeln.“

(c) Nord Stream AG

Gleichzeitig wiederum ventiliert EU-Energiekommissar Günther Oettinger angesichts der Ereignisse um die Ukraine die Idee, verstärkt auf Schiefergas zu setzen.

Lieferungen aus Übersee mit Fragezeichen

Eher theoretisch ist laut Musilek auch die Möglichkeit, verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) in die EU zu importieren. Zwar baue Australien seine Exportkapazitäten massiv aus. Doch liege mit Japan einer der größten Gasimporteure der Welt im Vergleich zu Europa „vor der Haustüre“ – und die in Japan bezahlten Gaspreise seien etwa doppelt so hoch wie jene in Europa.

Der Golfstaat Katar, der im weltweiten LNG-Geschäft zurzeit führend ist, zeigte sich laut Musilek gegenüber europäischen Avancen bislang „nicht sehr interessiert“. Bleibt die zuletzt auch von US-Präsident Barack Obama ventilierte Möglichkeit, Gas aus den USA zu importieren – wenngleich dieser vorsorglich hinzufügte, die USA könnten die Europäer keineswegs komplett versorgen, weshalb diese sich ihrer Schiefergasreserven besinnen sollten. Abgesehen davon, müssten die USA erst die Infrastruktur für den Export errichten. Fraglich ist auch, ob die USA überhaupt langfristig lieferfähig sind.

Infrastruktur muss angepasst werden

Für Zentral- und Osteuropa dagegen müsse die Infrastruktur erst geschaffen respektive adaptiert werden. Das Problem: Genau diese Regionen seien am stärksten auf den Import russischen Gases angewiesen. Wolle Europa vermehrt LNG importieren, „muss es seine Infrastruktur generell entsprechend anpassen. Das bedeutet aber erhebliche Investitionen, weil ja Reservekapazitäten notwendig sind, um die Versorgung jedenfalls zu gewährleisten“, betont Musilek. Letzten Endes habe die EU keine andere Wahl, als sich zu einer nachhaltigen Energiepolitik zu bekennen.

Jahrzehntelang erfolgreiche Partner

Überzeugt vom Sinn der weiteren Zusammenarbeit Europas mit Russland und dem russischen Gaskonzern Gazprom zeigt sich Rainer Seele, der Vorstandsvorsitzende der deutschen Wintershall, einer Tochter des BASF-Chemiekonzerns. Ihm zufolge ist „Russland unser Beleg, dass Partnerschaften über Jahrzehnte möglich und dabei auch sehr erfolgreich sind“. Seit zehn Jahren betreibt Wintershall mit Gazprom das Joint Venture Achimgaz, das das Achimov-Gasfeld im Urengoj-Gebiet entwickelt.

Zurzeit werden aus 25 Bohrungen jährlich rund zwei Mrd. m³ Gas gefördert, bis 2018 soll sich die Produktion auf acht Mrd. m³ vervierfachen. Seele: „Diese Partnerschaft ist für beide wertvoll, für Gazprom und für Wintershall.“ Wintershall ist an der fertiggestellten Nord Stream ebenso beteiligt wie an der im Bau befindlichen South Stream. Seele zufolge wird der erste Strang durch das Schwarze Meer Ende 2015 fertiggestellt: „Anschließend bauen wir die Leitung aus, bis schrittweise die Gesamtkapazität von 63 Mrd. m³ erreicht wird. Das ist fast der Jahresverbrauch Deutschlands.“

Australien will in den kommenden Jahren seine Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) massiv steigern.
Australien will in den kommenden Jahren seine Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) massiv steigern.(c) Woodside

EU legt Aktionsplan vor

Skeptisch ist Seele dagegen, was Gaslieferungen aus den USA betrifft. Kurzfristig seien solche nicht möglich, und längerfristig stelle sich die Frage: „Wie ist die US-amerikanische Strategie bezüglich der Schiefergasexporte?“ Statt auf die Amerikaner zu vertrauen, solle Europa lieber sein eigenes Schiefergaspotenzial entwickeln.

Unterdessen erwartet Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner infolge der aktuellen Debatten zwischen Russland und der EU „eine noch stärkere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, in diese Richtung gehen auch die Schussfolgerungen des Europäischen Rates“. Dieser hat bekräftigt, die Abhängigkeit der EU von Energieimporten langfristig verringern zu wollen.

Österreich unterstützt den Bau der South Stream, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Die Pipeline bringe ebenfalls eine Diversifizierung der Gastransportrouten von Gas und trage dazu bei, den Wettbewerb zu steigern, indem sie zusätzliches Gas nach Europa bringe. Überdies verweist man darauf, dass Österreich über „Reverse flow“-Möglichkeiten verfüge. Auf den grenzüberschreitenden Transitleitungen nach Deutschland und Italien könne Gas auch gegen die übliche Fließrichtung transportiert werden. Das biete Spielraum, die Bezugsquellen zu differenzieren.

Perspektiven für Russlands Energiewirtschaft

Wie führende russische Energieexperten die künftige Entwicklung der Gaswirtschaft des Landes einschätzen, zeigt der im vergangenen Jahr veröffentlichte „Global and Russian Energy Outlook up to 2040“ des Energieforschungsinstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften. Diesem zufolge ist es möglich, die im Argen liegende Energieeffizienz bis 2040 erheblich zu steigern und die Energieintensität massiv zu verbessern. Allerdings werde sie dann immer noch um 75 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt liegen, verglichen mit derzeit etwa 90 Prozent.
Russland werde auch weiterhin der teuerste Produzent von Öl und Gas für den Weltmarkt bleiben, was nach 2015 zu einem Exportrückgang um 25 bis 30 Prozent und einem BIP-Rückgang um umgerechnet USD 100 bis 150 Mrd. pro Jahr führen könnte. Dies wiederum hätte negative Auswirkungen auf die Investitionen in die Infrastruktur. Es sei daher dringend geboten, die Effizienz des russischen Energiesektors insgesamt und vor allem der Öl- sowie Erdgasproduktion maßgeblich zu verbessern.

Effizienz verbessern
Investitionsprojekte sollten nach ihrer Rentabilität gereiht und diese entsprechend abgearbeitet werden. Es gelte, den Heimmarkt sowie die ausländischen Märkte sowie deren zu erwartende Entwicklung genau zu untersuchen.
Ausdrücklich wird in dem Bericht empfohlen, die Öl- und Gasbranche für ausländische Investoren attraktiv zu machen, fortgeschrittene Technologien zum Einsatz zu bringen und eine strenge Kostensowie Ertragskontrolle einzuführen. Auch solle die Staatsführung danach trachten, den Zugang zu attraktiven ausländischen Märkten zu erleichtern.


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