Wettbewerbsfähigkeit: Die Krisenländer holen auf

Wettbewerbsfaehigkeit Krisenlaender holen
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Seit Ausbruch der Krise 2008 sind die heimischen Lohnstückkosten um elf Prozent gestiegen. Sie geben an, wie effizient die Arbeitskräfte eines Landes agieren. Irland und auch Griechenland wurden konkurrenzfähiger.

(c) Die Presse / HR

Wien. In dieser Frage sind sich alle Ökonomen ausnahmsweise einig: Lohnstückkosten zählen zu den besten Möglichkeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft messen zu können. Sie geben an, wie effizient die Arbeitskräfte eines Landes agieren. Steigen sie, heißt das nichts anderes, als dass die Arbeitskosten für die Herstellung eines Produkts gestiegen sind. Die Konkurrenzfähigkeit sinkt, weil potenzielle Käufer die Ware woanders zu einem besseren Preis bekommen.
Genau das ist in Österreich, aber auch in Deutschland und Frankreich in den vergangenen vier Jahren in dramatischem Ausmaß passiert. Das besagt eine Studie des Brüsseler Forschungsinstituts „The Conference Board“, die kommende Woche publiziert wird und der „Presse“ vorliegt. Demnach sind die Lohnstückkosten in Österreich seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 um mehr als elf Prozent gestiegen, in Deutschland und Frankreich um mehr als acht Prozent (siehe Grafik).

Langfristig geht Wohlstand zurück

„Die Lohnstückkosten sind ein guter Indikator, inwiefern sich eine Volkswirtschaft und das Wohlstandsniveau ihrer Bevölkerung verändern“, erklärt Studienautor Bert Colijn. Soll heißen: Verliert ein Land permanent an Wettbewerbsfähigkeit, wird die Konjunktur über kurz oder lang einbrechen und der Wohlstand zurückgehen.
Der Grund für den Anstieg der Lohnstückkosten ist schnell erklärt: Die Menschen arbeiten weniger, verdienen in Relation aber mehr – etwa durch die hierzulande forcierte Kurzarbeit. Allerdings hat Studienautor Colijn auch gute Nachrichten für Österreich: „Die Lage ist noch nicht sehr besorgniserregend, es gibt noch die Möglichkeit zur Korrektur.“

Das deshalb, weil Investoren und Käufer nach wie vor auf Deutschland und Österreich vertrauen. Zwar steigen die Löhne schneller als die Wirtschaft wächst. Aber immerhin: „Die Wirtschaftsleistung wächst wenigstens.“ Den Anstieg der Lohnstückkosten zu korrigieren, das sei derzeit noch nicht zu schmerzhaft für die arbeitende Bevölkerung. Sie kann auch künftig mehr verdienen, bloß in geringerem Ausmaß.

Weit schlimmer ist die Lage in Italien. Auch hier sind die Lohnstückkosten seit 2008 gestiegen, um fünf Prozent. Allerdings schrumpft die Wirtschaft. Für das zweite Quartal erwarten Wirtschaftsforscher ein Minus von knapp einem Prozent. „Das ist eine fatale Situation“, sagt Colijn. Will man wieder wettbewerbsfähig werden, müssen die Lohnkosten stark sinken. Es sei denn, es gelingt, die Konjunktur bei gleichbleibendem Einkommen wieder anzukurbeln. „Im Idealfall steigen Wirtschaftsleistung und Löhne, aber Ersteres eben stärker.“

Welche Schlüsse lassen sich nun aus der Studie ziehen? „Jene Länder mit einer Hire-and-Fire-Politik, etwa England und Irland, haben die Krise weit besser überwunden“, meint Colijn. Am Beispiel Irland: Nach dem Crash des Bankensektors und der Flucht unter den EU-Rettungsschirm sanken die Löhne um bis zu 20 Prozent. Die Flexibilität am Arbeitsmarkt führte dazu, dass viele Menschen ihren Job verloren.

Irland: Schock schnell überwunden

Jedoch konnte die Talfahrt nach dem dramatischen Schock sehr schnell überwunden werden. Weil die Lohnstückkosten seit 2008 deutlich sanken, waren irische Produkte am Weltmarkt wieder gefragt. Die Exporte stiegen, und möglicherweise noch heuer wird sich das Land am Kapitalmarkt wieder zu akzeptablen Konditionen refinanzieren können.

Auch für Griechenland haben die Studienautoren eine selten positive Nachricht. Zwar sind die Lohnstückkosten seit 2008 leicht gestiegen, seit 2010 sind sie aber gefallen. Damit widersprechen die Brüsseler Ökonomen jenen, die einen griechischen Euro-Austritt als einzigen möglichen Weg sehen. Das Land mache Fortschritte, allerdings sei das wachsame Auge der EU nötig. „Nur eine Fiskalunion kann sicherstellen, dass Griechenland den eingeschlagenen Weg weitergeht“, glaubt Colijn.

Und wohin geht die Reise für Deutschland und Österreich? Sie müssten den Weg der schlechteren Produktivität korrigieren, empfiehlt der Ökonom. „Denn auf lange Sicht werden diese Länder den Preis für die verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit garantiert bezahlen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2012)

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