Alarmstufe Rot in Spanien und Italien

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Nach den Großbanken schlittern in Italien und Spanien nun die Provinzen in ernste Finanzprobleme. Deren Probleme treiben die Zinsen für die Staatsschuld auf Rekordhöhen.

Madrid/Wien/Ju. Jetzt geht es in der Eurokrise ans Eingemachte: Am Montag sind die Sekundärmarktrenditen für spanische und italienische Anleihen erneut stark angestiegen. In Spanien stehen die Zinsen für die Staatsschuld nun auf dem Rekordwert (seit der Euro-Einführung) von mehr als 7,4Prozent, in Italien sind die Anleihezinsen auf 6,3Prozent geklettert. Ökonomen meinen, dass bei den derzeit hohen Schuldenständen der Eurostaaten (siehe nebenstehende Grafik) zwischen 6,5 und sieben Prozent die „Todeszone“ beginnt: Zinsen ab dieser Höhe seien auf Dauer nicht finanzierbar.

In beiden Ländern machen nicht nur die Banken ernste Probleme, auch die Regionen schlittern zunehmend in Richtung Pleite: In Italien steht Sizilien vor der Zahlungsunfähigkeit, in Spanien könnten bis zu sechs autonome Regionen Staatshilfe benötigen.

Die Situation scheint dramatisch zu sein: Die Ratingagentur Standard & Poor's hat die Beurteilung der Verbindlichkeiten Siziliens am Montag ausgesetzt. Sizilien repräsentiert aber nur die Spitze des Eisbergs: Der Präsident der italienischen Vereinigung der Provinzen (UPI), Guiseppe Castiglioni, sagte gestern, die Hälfte der italienischen Provinzen stecke in schweren Problemen. Sollte die Regierung in Rom ihre geplanten Einschnitte realisieren, dann sei in mehreren Regionen die Finanzierung des Schulbetriebs im Herbst gefährdet. Besonders krass sei die Lage in Neapel und in der sizilianischen Hauptstadt Palermo.

Unmittelbar bestehe zwar noch nicht die Gefahr, dass eine italienische Provinz definitiv zahlungsunfähig werde, besonders in einigen Städten hätten die Finanzlöcher aber unerwartete Ausmaße angenommen, hieß es.

Provinzen „schönen“ Bilanzen

Das hängt damit zusammen, dass die Regierung in Rom ihren Provinzen bisher offensichtlich ein bisschen Bilanzschönung hat durchgehen lassen: Die Regionen gaben in den nach Rom gemeldeten Budgetvorschauen die Einnahmenschätzungen regelmäßig deutlich zu hoch an, um ihre ausufernden Verwaltungskosten zu kaschieren. Jetzt hat die Regierung die Provinzen aufgefordert, ihre Prognosen für bestimmte Einnahmen um 25 Prozent zurückzunehmen – womit plötzlich das wahre Ausmaß der kommenden Malaise sichtbar wird.

Noch viel dramatischer sieht es freilich in Spanien aus: Die Regierung in Madrid kämpft nicht nur mit Milliardenproblemen der Banken, auch die autonomen Regionen geraten in ernste Pleitegefahr. Bereits in der Vorwoche hat die autonome Region Valencia offiziell um Staatshilfe angesucht.

Nach Angaben der spanischen Tageszeitung „El Pais“ könnten bis Jahresende aber zumindest weitere fünf Regionen folgen. Darunter die Zentralregion Castilla-La Mancha. Deren Regierung hat gestern zwar – ebenso wie jene von Andalusien, Galizien und den Kanaren – dementiert, einen Bittgang nach Madrid zu planen. Beobachter glauben, dass daran kein Weg vorbeiführen werde. Als praktisch sicher gilt, dass die Region Murcia unter den „Rettungsschirm“ der Regierung in Madrid schlüpft.

Überzogener Föderalismus

In Madrid hat man mit der Rettung der autonomen Gebiete wenig Freude, weil die Durchgriffsmöglichkeiten auf deren Gebarung begrenzt sind. Die spanische Form des Föderalismus führt dazu, dass Madrid zwar zahlen „darf“, aber keine Garantien hat, dass die Regionen ihre Ausgabenpolitik, die sie in die Bredouille gebracht hat, ändern.

Davon abgesehen ist nicht ganz klar, wo das Geld für die Rettung der spanischen Provinzen herkommen soll: Der Kapitalmarkt ist den Spaniern bei den hohen Anleihzinsen zunehmend verschlossen. Eine Pleitewelle unter den Regionen würde dazu führen, dass Spanien sehr schnell als Ganzes unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss. Zumal die Wirtschaft weiter einbricht: Auch im zweiten Quartal dieses Jahres ist das BIP leicht geschrumpft.

Die Spanier drängen deshalb darauf, dass die EZB direkt eingreift. Außenminister Garcia Maragallo meinte gestern, die EZB sei „die einzige Institution, die die Finanzkrise Spaniens beeinflussen kann“. EZB-Chef Mario Draghi ließ freilich umgehend ausrichten, die Euro-Notenbank sei nicht dazu da, Finanzprobleme einzelner Staaten zu lösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2012)

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