Eurokrise: Startet die „Inflationsmaschine“?

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Frankreich und Italien, aber auch Spanien verlangen nun offen einen Rettungsschirm ohne finanzielle Obergrenze, Deutschland ist jedoch strikt dagegen: Der Streit um die Eurorettung spitzt sich dramatisch zu.

Wien/Berlin/Brüssel/ju/ag. Die Idee ist nicht ganz neu, galt aber als Tabu. Doch jetzt droht der Damm zu brechen: Frankreich und Italien, aber auch Spanien drängen nun offen darauf, dem neuen Euro-Rettungsfonds ESM unbegrenzten Zugriff auf Kredite der Europäischen Zentralbank zu gewähren. Das entspräche praktisch der Gewährung einer Banklizenz an den ESM. Damit könnte der derzeit mit 500 Mrd. Euro begrenzte Rettungsschirm ohne Einschränkung Staatsanleihen kriselnder Euroländer aufkaufen und damit Zinsen für diese Staatsanleihen im Zaum halten.

Die Idee dahinter: Die Rettungsmaßnahmen wären für die Finanzmärkte nicht mehr kalkulierbar, die Spekulationen gegen einzelne Euroländer würden damit zu riskant werden.

Die Idee wird, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, auch von mehreren führenden Mitgliedern im EZB-Rat gutgeheißen. Hintergrund für das Aufbrechen dieser Diskussion dürfte wohl auch die Eskalation der Krise in Spanien sein: In den vergangenen Tagen mehren sich die Anzeichen dafür, dass Spanien einen „Vollantrag“ auf Rettungsschirm-Hilfe stellen könnte. Das würde zusätzlich zu den den spanischen Banken bereits zugesagten 100 Mrd. Euro weitere 200 bis 300 Mrd. Euro erfordern – und die bestehenden Rettungsschirme (die derzeit zusammen 800 Mrd. Euro Ausleihungsvolumen „aufstellen“ können) sprengen.

Bisher sind für Hilfen an Griechenland, Portugal und Irland zusammen knapp 200 Mrd. Euro bezahlt worden, die kommenden Hilfsprogramme für Griechenland und Zypern noch nicht eingerechnet. Die Idee, die „Feuerkraft“ des ESM zu steigern, stößt bei den „Zahlern“ freilich auf wenig Gegenliebe. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sprach sich zwar für mehr Engagement der EZB aus, meinte aber, dass es „Geld ohne Bedingungen und Limit“ nicht geben könne.

Schärfer waren die Reaktionen aus Deutschland: Regierung und Bundesbank sind strikt gegen jede Ausweitung des ESM. Der aus Protest gegen deren Politik vorzeitig ausgeschiedene frühere Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, meinte, die Ausstattung des ESM mit einer Banklizenz wäre ein „klarer Bruch europäischen Rechts“. Schon derzeit entspreche die Situation „einer sehr extremen Dehnung des europäischen Rechts, um das einmal so zu sagen“.

Am schärfsten reagierte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: Eine Banklizenz für den Rettungsschirm ESM sei „eine Inflationsmaschine und Vermögensvernichtungswaffe“, meinte Brüderle. Und: Die „Geberländer“ im Norden seien „nicht unbegrenzt belastbar“, sie würden „ein inflationspolitisches Himmelfahrtskommando“ nicht mitmachen.

Parlament ausgeschaltet?

In Deutschland sorgen unterdessen Berichte über ein vertrauliches Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages für Aufregung. Aus dem geht hervor, dass der ESM für den Verlustausgleich beim eingezahlten Stammkapital (80 Mrd. Euro) Kapital von den Mitgliedsländern abrufen könnte, ohne dass diese sich dagegen wehren können. Bei Kapitalerhöhungen und Ausweitungen des Darlehensvolumens ist die Zustimmung der nationalen Parlamente notwendig. Beim Verlustausgleich reiche aber eine einfache Mehrheit im ESM-Direktorium, um ohne Zustimmung nationaler Parlamente Geld abzurufen, heißt es darin.

Der Verlustausgleich wäre anteilig zu tragen. Deutschland hat einen Anteil von 27 Prozent am ESM-Kapital, Österreich hält 2,99 Prozent. Das Gutachten war von der Partei „Die Linken“ in Auftrag gegeben worden.

Auch Schweiz mit Euro-Problem

Ein Euro-Problem bekommt auch langsam die Schweiz: Die Eidgenossenschaft muss, um den Franken-Kurs nicht über die festgelegten 1,20 steigen zu lassen, massiv Euro aufkaufen. Ende Juni verfügte die Schweizer Nationalbank auf diese Weise bereits über 183 Mrd. Euro, womit schon fast zwei Drittel der Fremdwährungsreserven auf Euro entfielen.

Die Euro-Reserven werden überwiegend in Staatsanleihen von Euroländern gehalten. Bern macht sich damit immer stärker von der Wirtschaftsentwicklung im Euroraum abhängig. Bisher ist der gewünschte Effekt allerdings eingetreten: Der Franken blieb stabil. Wenn auch zu enormen Kosten.

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