Der Chefökonom des European Policy Centre, Fabian Zuleeg, hält einen „Grexit“ nicht für die richtige Lösung.
Die Presse:Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras hat im Zuge einer Charmeoffensive in Berlin und Paris um mehr Zeit für die Umsetzung der nötigen Reformen gebeten. Merkel gibt sich unnachgiebig. Wäre ein Entgegenkommen für sie innenpolitisch durchsetzbar?
Fabian Zuleeg: Wir stehen vor dem Problem, dass die griechische Wirtschaft weiter sehr stark schrumpft. Dieser Umstand macht es so gut wie unmöglich, die öffentlichen Finanzen zeitgerecht unter Kontrolle zu bringen. Innenpolitisch hat Merkel natürlich große Probleme – gerade, weil ihre Parteifreunde und der Koalitionspartner versuchen, eine sehr harte Linie gegenüber Griechenland durchzusetzen. Merkel selbst ist aber realistisch genug zu wissen, dass sie diese harte Linie so nicht weiter durchpeitschen kann.
Wenn jedoch der mit Spannung erwartete Troika-Bericht im September negativ ausfällt, könnte das die Befürworter eines Griechenland-Austritts bestärken.
Ich denke nicht, dass eine Entscheidung über die Euromitgliedschaft Griechenlands unmittelbar bevorsteht. Niemand kann realistischerweise glauben, dass die Eurozone einen Griechenland-Austritt zu diesem Zeitpunkt bewältigen kann. Es wäre auch längerfristig nicht die richtige Lösung.
Viele Experten halten den Austritt aber für durchaus bewältigbar. Was wären denn die konkreten Folgen für Griechenland und die Eurozone?
Für Griechenland wäre der Euro-Austritt durch Staatsbankrott und Zusammenbruch des Wirtschaftssystems ein wirtschaftliches, soziales und politisches Desaster. Innerhalb der Eurozone bestünde große Ansteckungsgefahr; in Ländern wie Spanien und Portugal käme es durch das Phänomen der Massenpsychologie zu einem Bank-Run.
Aber welche Möglichkeiten gibt es überhaupt noch, Griechenland in der Eurozone zu halten?
Die große Gefahr ist zu glauben, es gebe nur eine einzige, schnell wirksame Lösung. Griechenland wird seine Probleme nicht in den nächsten Tagen lösen. Die Rettung des Landes ist ein langwieriger Prozess, und es wird noch viel mehr Geld benötigt werden.
Wird also ein drittes Hilfspaket nötig sein?
Auf jeden Fall. Man kann jetzt schon absehen, dass die bisherigen Gelder nicht genug sein können. Solange die Wirtschaft schrumpft, wird sich auch die Lage der Finanzen weiter verschärfen.