Schäubles Sorgen um den Nachbarn Frankreich

Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble (c) REUTERS (VINCENT BASLER)
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Ein Vorschlag des deutschen Finanzministers an die fünf Wirtschaftsweisen, sich Frankreich genauer anzusehen, sorgt für Aufregung. Das wäre ein Novum in der Geschichte des Sachverständigenrates.

Berlin/Reuters/Red. Die Sache ist brisant und politisch heikel: Ein Gutachten der fünf deutschen Wirtschaftsweisen über ein anderes Land – das hat es noch nie gegeben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) macht sich aber zusehends Sorgen um die wirtschaftliche Stabilität Frankreichs. Er hat deshalb den Wirtschaftsweisen vorgeschlagen, ein Konzept mit Reformvorschlägen für das in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Nachbarland anzufertigen.

Schäuble hatte die fünf Mitglieder des Sachverständigenrates am Mittwoch getroffen, als sie ihr Jahresgutachten an die Bundesregierung übergaben. Dabei habe er ein Frankreich-Gutachten angeregt, heißt es in mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen. Vorschläge könnten die fünf Wirtschaftsprofessoren gemeinsam mit französischen Experten erarbeiten.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz, bestätigte am Freitag zwar „ein informelles Gespräch mit Schäuble über die Weiterentwicklung der Währungsunion“. Er, Schäuble, habe sich an den Ausführungen im Jahresgutachten zu „Maastricht 2.0“ sehr interessiert gezeigt. Man habe vereinbart, weiter diesbezüglich im Gespräch zu bleiben.

Einen Auftrag für wirtschaftspolitische Empfehlungen an die französische Regierung habe es aber nicht gegeben, betonte Franz. Nachdem das Thema in den deutschen Medien sofort hohe Wellen schlug, setzte Franz nach: „Ein Antrag für ein Sondergutachten ist nicht im Entferntesten in Sicht und es wäre auch eine grobe Unhöflichkeit den Kollegen vom französischen Sachverständigenrat gegenüber“, sagte Franz der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Die französische Regierung würde sich so etwas wohl auch verbitten.“ Das Bundesfinanzministerium wollte sich dazu nicht äußern.

Ein Gutachten über ein anderes Land wäre ein Novum in der Geschichte des 1963 gegründeten Sachverständigenrates. Ihm gehören neben Franz die Tübinger Professorin Claudia Buch, der Würzburger Professor Peter Bofinger, der Chef des Essener RWI-Instituts, Christoph Schmidt, sowie der Freiburger Ökonom Lars Feld an.

Die Sorge Schäubles ist nicht aus der Luft gegriffen, zumal Frankreich der wichtigste Handelspartner Deutschlands ist. Waren „Made in Germany“ im Wert von mehr als 101 Mrd. Euro wurden im Vorjahr dort abgesetzt, das sind rund zehn Prozent des gesamten Auslandsumsatzes Deutschlands.

Am Rande der Rezession

Nach Einschätzung der französischen Notenbank wird Frankreich im vierten Quartal in die Rezession rutschen. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte wie im Sommerquartal um 0,1 Prozent schrumpfen. Bei zwei Minusquartalen in Folge sprechen Fachleute von Rezession. Die EU-Kommission prognostiziert Frankreich für 2013 lediglich ein Wachstum von 0,4 Prozent. Das Land dürfte die Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung verfehlen. Die Arbeitslosenzahlen liegen über drei Millionen, der höchste Wert seit 1999.

Klare Worte hat dazu der Sachverständigenrat gefunden. „Das größte Problem ist nicht mehr Griechenland, Spanien oder Italien, es ist Frankreich, weil Frankreich im Hinblick auf die Herstellung seiner Wettbewerbsfähigkeit nichts unternommen hat und sogar in die Gegenrichtung geht“, sagte der Ökonom Feld bei der Vorstellung des Jahresgutachtens. Frankreich brauche daher dringend Arbeitsmarktreformen.

Die Wirtschaftsweisen zweifeln zudem aber auch, dass die geplanten Sparmaßnahmen ausreichen, um das angestrebte Haushaltsziel zu erreichen. Die Planung des französischen Haushalts gehe von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,8 Prozent aus. Angesichts des schwierigen außenwirtschaftlichen Umfelds und der Tatsache, dass die Konsolidierung im Jahr 2013 auf eher wachstumshemmende Steigerungen der Steuereinnahmen setzt, dürfte dies aber schwer zu erreichen sein, meinen die Wirtschaftsweisen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2012)


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