Jetzt ist es so weit: Die deutsche Wirtschaft wächst kaum noch, die österreichische schrumpft, die Eurozone insgesamt steckt schon in der Rezession. Das Konjunkturbarometer fällt weiter.
[Wien/red./ag.] Die angekündigte Rezession in der Eurozone ist nicht mehr Prognose, sondern Realität. Im dritten Quartal dieses Jahres ist das BIP der Eurozone nämlich erneut geschrumpft. Und mit zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit schrumpfendem BIP ist für die Ökonomen der „Tatbestand“ der Rezession erfüllt.
Gegenüber dem Vorquartal ging die Wirtschaftsleistung in der Eurozone um 0,1 Prozent zurück, in der Gesamt-EU legte die Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent zu. Im Jahresabstand betrug das Minus in der Eurozone 0,6 Prozent, die Wirtschaft der Gesamt-EU schrumpfte um 0,4 Prozent. „Spitzenreiter“ war hier Griechenland mit einem Minus von 7,2 Prozent, gefolgt von Portugal (minus 3,4 Prozent) und Italien (minus 2,4 Prozent).
Auch Osteuropa schwächelt
Auffallend: Auch die Boom-Region Osteuropa ist Vergangenheit. Ungarn (minus 1,6 Prozent) und Tschechien (minus 1,5 Prozent) mussten saftige Einbrüche verdauen, die übrigen CEE-Länder kamen nur auf mäßige Wachstumsraten. Ausnahmen sind lediglich die Slowakei (plus 2,5 Prozent) und die drei baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen, die noch Wachstumsraten zwischen 3,3 und 5,3 Prozent aufweisen.
Deutschland gehört zwar noch zu den Wachstumsländern, mit einem Plus von 0,2 Prozent im dritten Quartal (gegenüber dem Vorquartal) fiel der Zuwachs aber schon recht mickrig aus. Die Wachstumsschwäche beim nördlichen Nachbarn im Verein mit der Rezession in Italien – die beiden Länder sind die wichtigsten Exportmärkte Österreichs – dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, dass auch die heimische Wirtschaft im dritten Quartal schrumpfte: Die Wirtschaftsleistung ging gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent zurück.
Schon von April bis Juni war die heimische Wirtschaft nur noch schwach um 0,1 Prozent gewachsen. Für die letzten zwölf Monate ergibt sich damit eine Stagnation, die bisher für die vergangenen Quartale abgegebenen vorläufigen Wachstumszahlen wurden vom Wifo allesamt nach unten revidiert.
Überarbeitet wird jetzt wohl auch die Prognose für das Gesamtjahr. Zuletzt war das Wifo von einem Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent ausgegangen, jetzt könnten es „0,5 oder 0,4 Prozent“ werden, sagte Wifo-Konjunkturexperte Marcus Scheiblecker am Donnerstag. Dass die Prognose hält, sei zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich, weil sich viele Indikatoren zuletzt doch deutlich verschlechtert hätten. Nach den jüngsten Daten etwa aus dem Bank-Austria-Konjunkturindikator oder dem Wifo-Konjunkturtest müsse man nämlich davon ausgehen, dass die Wirtschaftsleistung auch in den letzten drei Monaten des Jahres negativ sein werde.
Inlandskonsum stagniert
Derzeit „performen“, so Scheiblecker, alle Bereiche schwach. Nicht nur die Exporte seien wenig dynamisch, auch der Inlandskonsum stagniere seit Jahresbeginn. In diesem Umfeld sei es wenig verwunderlich, wenn die Unternehmen ihre Investitionen zurücknehmen.
Von außen darf sich das stark exportorientierte Österreich keine Entlastung erwarten. Überall in Europa werden derzeit die Prognosen nicht nur für dieses, sondern auch für die kommenden beiden Jahre zurückgenommen.
In Deutschland etwa macht die Auftragslage der Industrie den Ökonomen ernste Sorgen. Die aktuelle Datenlage lasse erwarten, dass es im vierten Quartal noch weiter abwärts gehe, hieß es gestern.
Relativ kräftig, nämlich um 1,6 Prozent im Jahresabstand, ist im dritten Quartal die holländische Wirtschaft eingebrochen. Der Grund: Dort platzt gerade eine Immobilienblase.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2012)