ESM-Urteil: EuGH zieht der Politik klare Grenzen für ihre Rettungsaktionen

(c) REUTERS KAI PFAFFENBACH
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Der Eurofonds nimmt die letzte juristische Hürde. Eines macht das Höchstgericht der EU aber auch klar: Die Teilnahme von Euroländern an Schuldenschnitten ist verboten.

Brüssel. Ohne Wenn und Aber hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als rechtlich einwandfrei bewertet. Die Prüfung des höchsten Gerichts der Union habe „nichts ergeben“, was die Gültigkeit dieses seit Anfang Oktober handlungsfähigen Fonds zur Stützung finanzschwacher Euroländer berühren könnte.

Das ist in erster Linie eine gute Nachricht für die krisengeplagten Politiker der 17Mitglieder der Eurozone. Sie haben nun ein juristisch einwandfreies Vehikel zur Hand, um bis zu 500 Milliarden Euro an Krediten an jene Euro-Mitgliedstaaten zu vergeben, die wegen zu hoher Zinsen keine neuen Schulden auf den Märkten aufnehmen können und dadurch selbst von der Insolvenz bedroht sind und die Stabilität der gesamten Währungsunion gefährden.

Auf den zweiten Blick allerdings offenbart das 37-seitige Urteil die klaren Regeln, die der Luxemburger Gerichtshof künftigen Rettungsaktionen im Euroraum vorschreibt.

Der ESM ist kein Bankomat

Erstens ist der ESM kein Bankomat, bei dem man nach Lust und Laune Geld abheben kann, bloß weil es politisch gerade genehm ist. Die Richter halten fest, dass „nur dann eine Stabilitätshilfe gewährt werden darf, wenn eine solche Hilfe zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist“. Gewiss: Schon aus ein paar schlechter als erwarteten Anleihenauktionen kann sich in Zeiten nervöser Finanzmärkte und selbstverstärkender Marktgerüchte schnell ein handfestes Zahlungsproblem für große Staaten wie Spanien entwickeln. Doch mit solchen Problemen müssen die Euroländer in den Augen der Richter zuerst einmal selbst zu Rande kommen, bevor sie beim ESM um Kredit anklopfen können.

Denn zweitens sind diese „Stabilitätshilfen“ nur dann zulässig, wenn die daran geknüpften Auflagen geeignet sind, „Anreiz für eine solide Haushaltspolitik zu bieten“. Diese Auflagen kennt man im vierten Jahr europäischer Rettungspolitik bereits gut: Sanierungsprogramme für Haushalt und Ordnungspolitik, deren Einhaltung schrittweise mit Kredittranchen belohnt werden. Und so wird das auch bei künftigen Rettungsaktionen des ESM sein. Die Europäische Kommission wird dann nach vorheriger Zustimmung seines Gouverneursrates ein „Memorandum of Understanding“ mit dem antragstellenden Land vereinbaren. Dort steht dann, was das Land im Gegenzug für Kredit tun muss.

Kredit, nicht Geldspende

Und drittens geht es um Kredit. Geldgeschenke wird der ESM nicht verteilen. Das muss man angesichts einer auch von den handelnden Politikern oftmals bewusst oder unbewusst vage geführten Debatte betonen. Der Gerichtshof dekliniert in seinem Urteil alle Formen der „Stabilitätshilfe“ durch. Ihnen sei gemein, „dass der ESM nicht als Bürge für die Schulden des Empfängermitgliedstaats auftritt. Dieser bleibt gegenüber seinen Gläubigern für seine finanziellen Verbindlichkeiten haftbar.“

Diese Feststellung ist im Grunde genommen nur eine Ausformulierung der „Nichtbeistandsklausel“ aus Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Dieses „Bail-out-Verbot“ solle sicherstellen, dass „die Mitgliedstaaten bei ihrer Verschuldung der Marktlogik unterworfen bleiben, was ihnen einen Anreiz geben soll, Haushaltsdisziplin zu wahren“, führen die Richter aus.

In der politischen Praxis folgt aus dieser höchstrichterlichen Präzisierung, dass der ESM bei der Umstrukturierung der Schulden von Euroländern keine Verluste übernehmen darf. Das ist eine kalte Dusche für all jene, die in der Debatte rund um das zweite Griechenland-Paket mit dem Gedanken spielen, auch die kreditgebenden Euroländer zum „Haarschnitt“ zu zwingen.

Auf einen Blick

Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) soll bis zu 500 Milliarden Euro an Krediten bereitstellen können, wenn ein Euroland Finanzierungsprobleme hat und dadurch seine Stabilität sowie jene der gesamten Eurozone gefährdet. Seit Anfang Oktober ist er operativ, und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat am Dienstag seine rechtliche Unbedenklichkeit bestätigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2012)

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