Der deutsche Finanzminister Schäuble würde die wahren Kosten der Griechen-Rettung verschleiern, kritisiert der Ökonom Hans-Werner Sinn.
Vor der Entscheidung des Deutschen Bundestages am Freitag über neue Griechenland-Hilfen hat Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn der Regierung in Berlin vorgeworfen, die Wahrheit über die Belastungen für die Bürger zu verschweigen. Es sei klar, dass Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen könne, sagte Sinn am Donnerstag im Deutschlandfunk. Er finde es allerdings "problematisch, dass man die Schuldenschnitte nicht wirklich ausweist, sondern das alles über Zinssenkungen macht". Hier kämen "riesige Lasten" auf die Gläubigerländer zu, ohne dass die schon heute verbucht werden müssten. "Das Ganze ist ein Fass ohne Boden", so Sinn.
Die drohende Belastung durch die Griechenland-Hilfspakete für andere Länder bezifferte Sinn auf 30 bis 40 Milliarden Euro. Dies solle die Politik den Bürgern auch sagen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte eingeräumt, dass die deutschen Steuerzahler durch die am Montag in Brüssel vereinbarten Hilfsmaßnahmen im kommenden Jahr mit 700 Millionen Euro belastet werden.
"Da kommt Gewaltiges zusammen"
Auch Schäuble wisse, dass die Belastung in Wahrheit weit höher sei, sagte Sinn. Allein der Verzicht auf Zinsen bei den Mitteln, die Griechenland aus dem Rettungsschirm EFSF bekomme, summiere sich über die angepeilten 15 Jahre auf 30 Milliarden: "Da kommt doch Gewaltiges zusammen." Kritisch bewertete Sinn zudem die Anstrengungen der Regierung in Athen. Griechenland habe die Forderungen der internationalen Geldgeber "überhaupt nicht erfüllt, sondern die Kriterien wurden sukzessive immer wieder zurückgenommen". Dass die Griechen sparten, stimme nicht, "sie reduzieren nur ihre Netto-Neuverschuldung". Die Bürger würden auch hier "über die wahren Verhältnisse hinwegtäuscht".
Der Deutsche Bundestag entscheidet am Freitag über Hilfen für Griechenland. Es handelt sich dabei um ein ganzes Bündel von Änderungen am zweiten Hilfspaket, das von den Euro-Finanzministern in der Nacht zum Dienstag ausgehandelt worden war. Verbunden ist damit auch die grundsätzliche Freigabe von Hilfszahlungen in Höhe von insgesamt 43,7 Milliarden Euro an das überschuldete Mittelmeerland.
Franzosen profitieren von Rettung
Sinn kam auch auf die Profiteure des Hilfspakets zu sprechen. Die hauptsächlichen Gläubiger Südeuropas seien die französischen Banken, aber auch Anleger aus aller Welt (wie z.B. amerikanische Pensionsfonds). "Indem wir jetzt diese großen Rettungsaktionen machen, erlauben wir es den Gläubigern aus aller Welt, sich da noch rauszuziehen und ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen, und wir und unsere Kinder werden stattdessen zu Gläubigern der Südländer", so Sinn.
(APA/AFP)