Euro für Athen war „schwere Sünde“

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Deutschlands ehemaliger Finanzminister Theo Waigel sprach in Wien über Geburtsprobleme und Erziehungsfehler der Währungsunion. Eine klare Absage erteilte Waigel Forderungen nach einer Teilung der Währungszone.

Wien. „Griechenland hätte mit seiner Wirtschafts- und Finanzstruktur nie aufgenommen werden dürfen. Das war eine schwere Sünde“, sagt Theo Waigel heute. Der ehemalige deutsche Finanzminister war einer der Geburtshelfer des Euro und Initiator des Stabilitätspakts. Bei einem Vortrag des Hypo-Invest-Clubs erzählte er diese Woche in Wien von den Problemen bei der Gründung der Währungsunion, die er nach wie vor als richtige Entscheidung verteidigt. Leider habe es in den ersten Jahren der jungen Währung „schwere Erziehungsfehler“ gegeben, gesteht er allerdings ein. Deutschland habe mit der Aufweichung des Stabilitätspakts dabei eine Hauptrolle gespielt. Nach der Einführung des Euro sei ein „Schlendrian“ in die Fiskalpolitik eingezogen.

Der CSU-Politiker, der vor der Entscheidung über Athens Euroteilnahme die Regierung verlassen hatte, vergleicht Griechenland mit einem „blinden Passagier“, den heute viele über Bord werfen wollten. Doch ein Austritt sei jetzt keine Lösung. „Die Schulden des Landes würden sich über Nacht vervier- oder gar verfünffachen. Griechische Banken würden bankrott gehen.“ Die Auswirkungen für ganz Europa wären katastrophal.

Wer jetzt auf einen Zerfall der Währungsunion setze, wisse nicht, wie es vor der Gründung des Euro war. Waigel erinnert daran, dass in den 1990er-Jahren der Druck auf einzelne europäische Währungen wie das britische Pfund oder den französischen Franc enorm gewesen sei. Damals musste die Deutsche Bundesbank den Franc mit 90 Milliarden D-Mark stützen. „Auch frühere Währungssysteme haben etwas gekostet.“ Es habe damals ständig Krisensitzungen über Neubewertungen von Währungen gegeben, die Spannungen seien enorm gewesen.

Chirac verhinderte strengeren Pakt

Ohne den Euro wäre Europa zum Spielball der großen Währungsblöcke geworden. „Wir würden heute keine Rolle mehr spielen“, behauptet Waigel. Dennoch gibt der einstige Finanzminister von Helmut Kohl offen zu, dass die Konstruktion des Euro nicht optimal gewesen sei. Automatische Sanktionen gegen Budgetsünder, wie sie einst im Stabilitätspakt vorgesehen waren, seien am Widerstand von Frankreichs Präsident Jacques Chirac gescheitert. „Wir hatten damals einen ziemlichen Krach mit ihm“, antwortet Waigel auf eine Frage der „Presse“. Kohl habe Chirac sehr bedrängen müssen. Letztlich sei ein Kompromiss gefunden worden, der durch den neuen Fiskalpakt wieder ausgebessert wurde. Doch es komme nicht nur auf einen Vertrag an, sondern auch auf den Willen, ihn einzuhalten, so Waigel. „Die zehn Gebote kommen von Gott selbst, dennoch halten sich nicht alle Menschen daran.“

Auch die von Kohl geforderte politische Union als Basis der Währungsunion sei „nicht durchsetzbar“ gewesen. Im Maastricht-Vertrag sei eine gemeinsame Wirtschaftskoordination bereits angelegt worden. Sie konnte dann aber wegen des Widerstands einiger Mitgliedstaaten nicht realisiert werden.

Eine klare Absage erteilte Waigel Forderungen nach einer Teilung der Währungszone in einen Nord- und einen Südeuro. Im Norden wäre das eine Gruppe rund um Deutschland und Österreich, gemeinsam mit Finnland und den Niederlanden. Im Süden gebe es eine eigene Währung unter der Führung von Frankreich. Damit wäre Europa geteilt, alle Fortschritte, die es in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich gegeben habe, wären zunichte gemacht. Das wäre ein gefährliches „Abenteuer“.

Waigel warnte vor Politikern, die „den Leuten vorgaukeln, mit einem neuen Nationalismus sei das Problem zu lösen“. Ganz im Gegenteil: Für „dumpfen Europessimismus“ gebe es keinen Anlass. Auch frühere Probleme seien gelöst worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)

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