EU-Bericht: Griechen lassen bei Steuereintreibung Zügel schleifen

(c) AP (Dimitri Messinis)
  • Drucken

Zwei Milliarden Euro ausständiger Steuern versprach die Athener Regierung heuer einzutreiben. Allerdings: Nicht einmal die Hälfte schaffte sie - auch, weil sie noch immer viel zu selten prüft.

Brüssel. Die „Task Force Griechenland“ stellt dem hellenischen Staatswesen nach knapp eineinhalb Jahren Entwicklungshilfe ein verheerendes Zeugnis aus. Weder bei der Eintreibung ausständiger Abgaben noch bei der Jagd auf Steuerbetrüger und erst recht nicht bei der Reform wichtiger Wirtschaftsgesetze sind die Griechen im Plan.

So nahm sich die Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras vor, heuer zwei Milliarden Euro ausständiger Steuern einzutreiben. Erreicht haben sie 983 Millionen Euro. Die Steuerfahnder verfehlten ihre Ziele haushoch: 300 große Unternehmen wollten sie heuer prüfen; 88 haben sie geprüft. 1300 reiche Griechen hätten ebenfalls auf die Einhaltung ihrer Steuerpflicht untersucht werden sollen; nur bei 467 von ihnen klingelte die Finanz. Schlimm schaut es auch bei der Reform der Eintreibung von Sozialversicherungsabgaben aus. „Es bleibt viel zu tun. Erst in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Griechenland die versprochenen Reformen seriös umsetzt“, sagte am Montag in Brüssel ein hoher Mitarbeiter der „Task Force“.

Grundbuch bleibt Zukunftsmusik

Die mangelhafte Besteuerung vor allem reicher Griechen hängt auch mit dem Fehlen eines zeitgemäßen Grundbuches zusammen. Erst heuer im September (!) hat das Umweltministerium die „Task Force“ überhaupt erst um Hilfe bei der Planung, Ausschreibung und Überwachung eines Grundbuches ersucht. Schon vor Monaten haben Österreich, die Niederlande, Deutschland und Spanien ihre Bereitschaft erklärt, den Griechen zu helfen. Das ist nicht nur für den Fiskus wichtig. Die Privatisierung staatlichen Grund und Bodens stottert ebenso wie es für ausländische Investoren teuer und intransparent ist, Betriebsgrund für den Bau neuer Fabriken und Büros zu erwerben. Rund 15 Millionen Eigentumsrechte dürfte es an Immobilien in Griechenland geben. Ihre mangelnde Erfassung behindert den Zustrom ausländischen privaten Kapitals, das zur Beendigung der Rezession nach fünf Jahren bitter nötig ist.

Griechen werden EU-Mittel verlieren

Denn staatliche Geldzuschüsse allein sind zur Wiederbelebung der hellenischen Volkswirtschaft zu wenig. Zwar ist der Staat dank des vorige Woche von den Euro-Finanzministern formal abgesegneten zweiten Kreditprogramms vorläufig zahlungsfähig.

Doch die griechischen Banken werden nur dank Kreditlinien der Zentralbank am Leben erhalten. Darlehen an griechische Unternehmen können sie kaum vergeben. Und darum stockt auch die Ausschüttung von EU-Subventionen. Über die Banken wird das Geld aus Brüssel an die zu fördernden Unternehmen und Gemeinden verteilt. Jahrelang brachten die Griechen nicht genügend formal korrekte Förderansuchen zusammen. Dank kräftiger Hilfe aus Brüssel und dem Umstand, dass Griechenland nur fünf Prozent der gesamten Fördersumme selber finanzieren muss (alle anderen EU-Staaten müssen bis zur Hälfte aus eigener Tasche aufbringen) hat Athen bis Ende November je nach Fonds zwischen 36,8 und 50,91 Prozent seiner ihm zustehenden Mittel „absorbiert“. Dennoch: Nach spätestens drei Jahren verfallen EU-Subventionen, die nicht rechtzeitig abgefragt wurden. Athen laufe Gefahr, „Ende 2012 signifikante Förderungen zu verlieren“, warnt die „Task Force“.

Auch das Statistikamt ist säumig

Übrigens: Das Athener Statistikamt, mit dessen jahrelangen Falschmeldungen über die wahre Staatsverschuldung die Krise ihren Ausgang nahm, ist noch immer nicht auf der Höhe einer modernen Verwaltung. So schafften es die Griechen als Einzige in der EU nicht, die aktuellen Daten über die Lohnkostenentwicklung an Eurostat zu liefern, bestätigte eine Sprecherin der „Presse“.

Auf einen Blick

Die „Task Force Griechenland“ berät Griechenland seit Juli 2011 bei der Reform seiner Verwaltung. Geleitet wird diese rund 50-köpfige Mannschaft vom früheren hohen Kommissionsbeamten Horst Reichenbach. Sein aktueller Bericht fällt ernüchternd aus: Die Griechen machen großspurige Versprechen, setzen sie aber nur langsam und unvollständig um – vom Steuerwesen bis zur Schaffung eines Grundbuches.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2012)

Mehr erfahren

File picture of cranes at foothills of Acropolis during transfer operation of artefacts from Acropolis to new location some 400 meters away in Athens
Home

Troika: Rettung Griechenlands birgt "sehr große" Risiken

Es sei immer noch möglich, dass das Mittelmeerland seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, urteilten die Gläubiger Griechenlands in einem Bericht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.