Staatsausgaben, Staatsschulden: Das Problem kann nicht die Lösung sein

(c) EPA (LAWRENCE LOOI)
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Eine Studie des des Internationalen Währungsfonds (IWF) nährt Zweifel an der europäischen Sparpolitik. Zu Unrecht: Staatsausgaben werden die Schuldenkrise nicht beenden – sie haben sie verursacht.

Wien. Die Debatte über den Weg aus der Krise verkommt immer mehr zu einem ideologischen Grabenkampf. In dessen Mittelpunkt steht (wie oft zuvor) die Frage: Kann der Staat die Wirtschaft steuern und retten – oder doch nur im Weg stehen mit Bürokratie und Fehlinvestitionen?
Hier prallen ökonomische und politische Realitäten brutal aufeinander. Selbst wenn Einsparungen der richtige Weg sind – in einem Klima der Unsicherheit verlangen die Bürger nach Rettung durch den Staat. Politiker, die da nicht mitspielen, werden rasch abgewählt. Was wundert also, dass hochoffizielle Zweifel an Austeritätspolitik auch medial für großes Aufsehen sorgen. So geschehen beim jüngsten „Working Paper“ des Internationalen Währungsfonds (IWF), das die positive Wirkung von Austerität bei Staatsausgaben in Zweifel zieht: Großes Aufsehen. Aber was ist davon zu halten?

Zuallererst muss festgestellt werden, dass der IWF schon buchstäblich jede Meinung vertreten hat. Ja, er war unter der Führung von Dominique Strauss-Kahn mitverantwortlich für die zu späte Implementierung echter Austeritätsmaßnahmen in Ländern wie Griechenland. Alleine dass dort die Staatsquote weiterhin über 50 Prozent des BIPs liegt zeigt, dass die Wirtschaft noch immer nicht auf eigenen Füßen steht. Ganz anders in Lettland, wo die Staatsquote in der Krise durch schlaue Sparmaßnahmen von 44 auf 36 Prozent zurückgefahren werden konnte.

Fluch der Formeln

Das aktuelle „Working Paper“ des IWF ist vor allem eine Übung in ökonomischer Formel-Lehre. Eine beliebte Methode vor allem bei Keynesianern – aber eine fragwürdige. Die Erfassung wirtschaftlicher Daten ist zwar zur Erkennung von Trends durchaus nützlich. Aber verschiedene (gerne auch manipulierte) Kennziffern wie BIP, Arbeitslosen- und Inflationsrate in Formeln zu gießen, Rechnungen anzustellen und auf Grundlage der Ergebnisse dann eine Wirtschaftspolitik zu entwerfen, die wiederum einzelne Ziffern in diesen Formeln in Zukunft ändern soll, ist höchst riskant. Und derart blindes Vertrauen nicht nur in die Fähigkeit des Staates zur „Gestaltung“ der Wirtschaft – sondern auch in die Formeln von Ökonomen ist brandgefährlich. Vor allem vor dem Hintergrund einer Schuldenkrise.

That's right. Wie kam es denn überhaupt zu den alles erstickenden Schuldenbergen? Durch Staatsausgaben? Sagen Sie nicht! Der IWF betont dies (löblicherweise) auch im aktuellen Paper. Dass nämlich an Einsparungen grundsätzlich nichts vorbeiführt. Es sei halt eine Frage des Tempos. Dass die exzessive Ausgaben- und Schuldenpolitik der Staaten nicht nur in Lettland und Griechenland, sondern auch in Österreich und dem Rest Europas ein Ende haben muss, sollte offensichtlich sein. Neue Schulden sind sicherlich nicht die Lösung für alte.

Und dass ausgerechnet die IWF-Führungsmacht Amerika, wo irgendwann einmal Kapitalismus praktiziert wurde, den „argentinischen Weg“ einschlägt und lieber Geld druckt als zu reformieren, sollte uns nicht zweifeln lassen. Europa (sollte es an einem vernünftigen Sparkurs festhalten) könnte in ein paar Jahren das Lettland des Erdenrunds sein – jene Weltgegend, die notwendige Reformen wenigstens drei vor zwölf angegangen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)


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