Polen: Gebremste Begeisterung für den Euro

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Der Abschied von der nationalen Währung ist inzwischen selbst in Polens Regierungskreisen unbeliebt. Wird die Umstellung verschoben? Der rechtsnationalen Opposition kommt die Euro-Diskussion gelegen.

Warschau. Die erste Parlamentssitzung im neuen Jahr sollte einen Auftakt mit Schwung für die Euro-Einführung werden. Noch vor dem Dreikönigstag trafen sich die polnischen Abgeordneten zu einer Sejm-Sondersitzung. Ziel war die rasche Annahme eines Gesetzespakets, das Polens späteren Beitritt zum EU-Fiskalpakt ermöglichen sollte. Doch die Diskussionen dauerten bis in die späten Abendstunden. So lange, bis Parlamentspräsidentin Kopacz die Abstimmung auf ein unbekanntes Datum irgendwann im Februar vorschob.

Die Regierung Tusk bekam offenbar Ohrensausen, bevor es richtig zur Sache ging. Dabei sollte die Fiskalpaktdebatte nur ein Auftakt zu einer breiteren auch außerparlamentarischen Euro-Einführungsdiskussion sein, wie Premier Donald Tusk erklärten. Den Polen kommt der Euro nämlich immer ungeheurer vor. 88 Prozent der 30-Jährigen, auf die sich die liberale Bürgerplattform (PO) bisher immer stützen konnte, lehnen die Einführung der EU-Gemeinschaftswährung heute ab, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Homo Homini aufzeigt. Insgesamt sind heute nur noch knapp 30 Prozent aller Polen für den Euro. Beim EU-Beitritt vor acht Jahren waren die Verhältnisse umgekehrt. Eine große Mehrheit der Polen wollte den Euro, viele davon so schnell wie möglich.

„Die Polen werden den Euro wieder mögen, wenn sie sehen, dass sich die Einführung für sie lohnt“, erklärt der Soziologe Marcin Duma in der Wirtschaftszeitung „DGP“. Diese rechnet der Bevölkerung vor, wie viel die Euro-Einführung heute kosten würde. Ein Drittel der EU-Strukturhilfegelder würde demnach allein für Beiträge zum Stabilitätsfonds und für Kreditgarantien zugunsten Italiens und Spaniens verwendet werden. Polen solle besser abwarten, bis die Krise in Westeuropa vorbei sei, warnen Ökonomen.

Widerstand gegen Fiskalpakt

Der rechtsnationalen Opposition kommt die Euro-Diskussion gelegen. Allein schon der Fiskalpakt untergrabe Polens Souveränität, argumentiert Oppositionschef Jaroslaw Kaczynski. Dessen ehemalige Außenministerin Anna Fotyga kritisiert das Gesetz als „Pax Germanica“. Ziel der berlinhörigen Regierung Tusk sei eine Euro-Einführung durch die Hintertür des Fiskalpaktes. Die freiwillige Einigung auf länderübergreifende Regeln sei seit dem 19.Jahrhundert gang und gäbe, erklärt Polens erster Finanzminister, Leszek Balerwicz, im Gespräch mit der „Presse“. „Wirklich souverän ist nur noch Nordkorea.“

Allerdings sind selbst innerhalb des Regierungslagers die Meinungen zum Euro gespalten. Jahrelang hat sich der seit 2007 regierende Premier Donald Tusk um die Festsetzung eines klaren Euro-Beitrittsdatums gedrückt. Wenn sich Polen nun nicht spute, drohe dem Land gar ein Ausschluss aus der EU, alarmiert das Außenministerium. Zudem könne kurzfristig nur ein klares Euro-Beitrittsziel Polens Verhandlungsposition in Brüssel stärken. Anderer Meinung ist das Finanzministerium, das keine Eile geboten sieht. Polen solle sich „langsam zum Euro beeilen“, sagte Finanzminister Jacek Rostkowski. Innoffiziell ist mittlerweile ein Zieldatum nicht vor 2018 im Gespräch.

Weit forscher gehen bei der Euro-Einführung Polens baltische Nachbarn vor. Die ehemalige Sowjetrepublik Estland hat den Euro bereits 2011 übernommen. Lettland hat gerade seine Gesetze angepasst, um die für nächstes Jahr geplante Übernahme zu ermöglichen. Auch die neue litauische Mitte-links-Regierung unter Algirdass Butkevicius will alles daransetzen, den Euro bis 2015 einzuführen.

Auf einen Blick

Die Finanz- und Schuldenkrise hat in Osteuropa eine rasche Übernahme des Euro verändert. Lettland hält am Beitritt fest und hat gerade Gesetze verabschiedet, die die Euro-Einführung 2014 erlauben. Litauens neue Regierung strebt die Übernahme 2015 an. In Polen hingegen, wo der Euro im Zuge der Krise enorm an Popularität eingebüßt hat, will die Regierung vorerst nur eine Euro-Diskussion starten. Angepeilt wird eine Übernahme der Währung 2018. In Ungarn geistert das Zieldatum 2020 herum, Tschechien hat überhaupt keine Eile mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)

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