Portugal: "Kauft einheimische Waren"

Portugal Kauft einheimische Waren
Portugal Kauft einheimische Waren(c) REUTERS (JOSE MANUEL RIBEIRO)
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Die Rechnung ist einfach: Mehr Umsatz für die heimische Wirtschaft bedeutet Wachstum und vor allem Arbeitsplätze.

Lissabon. Anti-Krisen-Rezepte können so einfach sein. Portugals konservative Regierung zeigt, wie es geht: „Portugal bin ich“, lautet eine neue Kampagne, mit der die elf Millionen Portugiesen aufgefordert werden, im Supermarkt und in anderen Geschäften künftig möglichst heimische Produkte in den Einkaufswagen zu legen. Kabeljau, Käse, Olivenöl, Wein, auch Leder- und Textilwaren gehören zu den typisch portugiesischen Erzeugnissen, die sogar erfolgreich ins Ausland exportiert werden.

Die Rechnung ist einfach: Mehr Umsatz für die heimische Wirtschaft bedeutet Wachstum und vor allem Arbeitsplätze. Dies hat das südeuropäische Krisenland am Atlantik auch bitter nötig: Die Wirtschaftsleistung sackte 2012 um rund drei Prozent ab, 2013 dürfte es noch weiter abwärts gehen. Inzwischen sind mehr als 16 Prozent der aktiven Bevölkerung ohne Job, insgesamt rund 800.000 Menschen – das sind so viele wie noch nie zuvor.

Und der Staat sitzt auf einem gigantischen Schuldenberg, der schon vor knapp zwei Jahren dafür gesorgt hat, dass Portugal unter den Euro-Rettungsschirm flüchten musste, um der Pleite zu entgehen. Inzwischen summieren sich die staatlichen Gesamtschulden auf mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIPs). Innerhalb der EU sind nur Griechenland und Italien noch stärker verschuldet. Seit dem Frühjahr 2011 hält sich Portugal mit einem internationalen Notkredit in Höhe von 78 Milliarden Euro über Wasser.

Defizit seit 2010 halbiert

Immerhin schaffte es der konservative Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, die Neuverschuldung radikal zu verringern. Für 2012 wird nur noch ein Haushaltsdefizit von rund fünf Prozent des BIPs erwartet, 2010 war es noch fast doppelt so hoch. Erstmals konnte Lissabon in diesen Tagen wieder auf dem internationalen Finanzmarkt Staatsanleihen platzieren, die sogar bei den Investoren auf große Nachfrage stießen. Ein Signal, dass Portugal auf gutem Weg ist, Vertrauen zurückzugewinnen. Der Staat wird deswegen auch von der EU als Reform-Musterschüler gefeiert, der wie kein anderes europäisches Krisenland alle Vorgaben Brüssels erfüllt.

Doch der Preis für diesen Sparerfolg ist hoch: Kürzungen bei Schulen, Gesundheitsversorgung und sozialen Leistungen sowie üppige Steuerhöhungen machen den portugiesischen Familien immer mehr zu schaffen. Dabei ist Portugal schon das ärmste Land der „alten“ EU – mit mittleren Einkommen von kaum mehr als 1000 Euro. Gerade erst gingen in Lissabon tausende Lehrer auf die Straße und warfen der Regierung vor, mit immer mehr Streichungen in der Bildungspolitik die Zukunft der Jugend „kaputtzusparen“. An den Schulen soll daher eine „Trauerwoche“ ausgerufen werden.

Die Zeiten für die Portugiesen dürften noch härter werden, wenn Passo Coelho mit seinen Plänen Ernst macht und die Spar- und Steuerschraube in den nächsten Monaten einmal mehr anzieht. Zuvor wird jedoch noch das portugiesische Verfassungsgericht darüber beraten müssen: Angesichts der wachsenden sozialen Spannungen im Land hat Staatspräsident Anibal Cavaco Silva den Haushalt 2013, in dem die neuen Einsparungen enthalten sind, den Verfassungsrichtern vorgelegt. Denn laut Aussagen von Cavaco Silva bestünden Zweifel daran, dass die Lasten des neuen Sparetats auf alle Bevölkerungsgruppen gleichmäßig verteilt seien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2013)

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