Verlässt die EZB die gefürchtete Troika?

(c) dapd (Patrick Sinkel)
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Die Europäische Zentralbank befindet sich durch die Teilnahme an den EU-Hilfspaketen in einem Interessenkonflikt.

Wien/Frankfurt. Die Direktoren der Europäischen Zentralbank (EZB) betonen bei jeder Gelegenheit, dass sie politisch unabhängig sind. Er sei „das Gegenteil einer Politbesetzung“, sagte jüngst Ewald Nowotny, der als Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) im Führungsgremium der EZB sitzt. Er habe sich den Job „durch lebenslange harte Arbeit verdient“. Nowotny war unter anderem Finanzsprecher der SPÖ.

Erst im Jänner schrieben die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den Proporz in der Nationalbank für die nächsten Jahre fest. Österreich ist hier keine Ausnahme. In so gut wie allen Ländern der Welt entscheidet die Politik, wer an der Spitze einer Zentralbank sitzt. Trotzdem ist nun ein neuer Konflikt über den Einfluss der Regierungen auf die Europäische Zentralbank ausgebrochen. In Deutschland wird erwogen, dass die Währungshüter aus der sogenannten Troika der Euro-Retter aussteigen. Ein solcher Schritt wäre ein Paukenschlag.

Ist Zypern systemrelevant?

Die Troika besteht aus der EZB, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU. Immer wenn ein EU-Staat vor dem Abgrund steht, kommen Vertreter der Troika und prüfen die Bedingungen für ein Hilfspaket. Die Griechen mussten Sparpakete mit harten Auflagen akzeptieren.

Demnächst wird die Troika nach Zypern reisen. Das Land braucht von der EU über 17 Milliarden, um die dortigen Banken zu retten. Bei den Instituten haben russische Oligarchen Milliarden gebunkert. Deutschland fordert, dass sich auch die Kunden und Gläubiger der zypriotischen Banken an den Rettungskosten beteiligen. Doch das lehnt die Regierung in Nikosia ab.

Auch innerhalb der Troika sorgt die Causa für Auseinandersetzungen. Der Internationale Währungsfonds meldete zu Wochenbeginn wegen der Zypern-Hilfe Bedenken an. Die EU-Behörden in Brüssel wollen dagegen das Hilfspaket schnell unter Dach und Fach bringen. „Jedes Euromitglied ist systemrelevant“, sagt EU-Währungskommissar Olli Rehn. Ein Austritt Zyperns aus der Währungsunion komme nicht infrage.

Zünglein an der Waage ist nun die Europäische Zentralbank. Finanzkreisen zufolge ist zuletzt der politische Druck auf die EZB gestiegen, in der Zypern-Frage keine allzu harten Bedingungen zu stellen, damit das Geld schnell ausbezahlt werden kann. Daher ist man in deutschen Regierungskreisen dafür, dass sich die Europäische Zentralbank aus der Troika verabschiedet. Denn das Institut sei in der Vergangenheit schon hohe Risken eingegangen, heißt es. Die EZB kaufte Staatsanleihen maroder Länder wie Griechenland, Italien, Portugal und Spanien in Milliardenhöhe.

Und die Probleme reißen nicht ab: Griechenland benötigt möglicherweise einen weiteren Schuldenerlass. Und niemand weiß, ob nach Bewältigung der Zypern-Krise in anderen Ländern neue Hilfspakete notwendig sind.

EZB: Eine unabhängige Instanz?

Deutschland sieht die EZB in einem Interessenkonflikt. Rein rechtlich ist die Bank eine unabhängige geldpolitische Instanz. Doch gleichzeitig ist sie durch ihre Troika-Rolle zunehmend politischen Forderungen ausgesetzt. Zwar könnte der EZB-Rat dem Druck widerstehen. Doch im Direktorium der Bank sitzen die Generaldirektoren der nationalen Notenbanken, die von den jeweiligen Regierungen ernannt wurden.

Nach dem Rücktritt der Deutschen Axel Weber und Jürgen Stark haben im EZB-Rat vor allem Vertreter einer expansiven Geldpolitik das Sagen. Dies hat zur Folge, dass die Sparer enteignet werden, weil die Zinsen niedriger sind als die Inflationsraten.

Olli Rehn: „Ich habe keine Ahnung“

Den Deutschen ist der EZB-Kurs ein Dorn im Auge. Doch wenn es hart auf hart geht, wird der Chef der deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, in den Gremien überstimmt. In Brüssel reagiert man auf den Vorschlag über einen EZB-Rückzug aus der Troika mit Realitätsverweigerung. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn am gestrigen Dienstag angesprochen auf die Debatte in Deutschland. Man arbeite „sehr konstruktiv“ mit EZB-Chef Mario Draghi (er stammt aus Italien) zusammen.

Bei einer Abstimmung im EZB-Rat über einen Troika-Ausstieg würde sich Deutschland aber nicht durchsetzen. Denn in dem Gremium hat jedes Land unabhängig von seiner Größe und Wirtschaftskraft nur eine Stimme. Dies würde sich erst ändern, wenn die Stimmrechte nach dem Kapitalanteil gewichtet werden. Dann könnte Deutschland im EZB-Rat wichtige Entscheidungen mit einer Sperrminorität blockieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2013)

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