Konten gesperrt: Zyperns Parlament stimmt ab

Zypern Parlament verschiebt Sitzung
Zypern Parlament verschiebt Sitzung(c) REUTERS (YANNIS BEHRAKIS)
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Das zypriotische Parlament muss über das Rettungspaket samt Eingriff auf die Konten zustimmen. Die Zustimmung der Abgeordneten ist nicht sicher.

Mit großer Unsicherheit beginnt für die Bürger Zyperns die Woche: Das Parlament soll im Laufe des Tages über das europäische Rettungspaket für das Land abstimmen. Besonders strittig ist dabei die geplante Zwangsabgabe aller Kontoinhaber in Zypern, die dadurch an der Bankenrettung beteiligt werden sollen. Dieser Plan hat bei den Zyprioten für Proteste und an den Finanzmärkten für starke Verunsicherung gesorgt. Dort wird ein massiver Vertrauensverlust der Bankkunden befürchtet und ein Kapitalabfluss aus anderen europäischen Problemländern.

Eigentlich sollte das zypriotische Parlament schon am Wochenende die gesetzliche Grundlage für die Zwangsabgabe schaffen. In Medienberichten hieß es, Präsident Nicos Anastasiades habe die Parlamentssitzung auf Montag verschoben, da er eine Ablehnung des Hilfspaketes fürchte. Tatsächlich ist die Zustimmung der Abgeordneten alles andere als sicher: Anastasiades' konservative Partei Disy hält 20 der insgesamt 56 Parlamentssitze, der Koalitionspartner Diko stellt neun Abgeordnete. Diko-Chef Marios Garogian sagte, er habe mit dem Staatschef über Alternativen zur Beteiligung der Sparer am Hilfspaket gesprochen. Die Kommunisten, die Sozialisten und die Grünen winkten bereits ab.

Der Staatschef setzte aber die Abgeordneten unter Druck: "Wir können wählen zwischen dem Katastrophen-Szenario einer ungeordneten Staatspleite oder einem schmerzhaften, aber kontrolliertem Management der Krise."  Nun soll nach einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens am Montagfrüh die zypriotische Regierung zusammenkommen, um über das Hilfspaket zu beraten. Anschließend wollte Anastasiades den Brüsseler Gipfelbeschluss vor dem Parlament verteidigen. Schließlich sollen die Abgeordneten eine Entscheidung über das Hilfspaket inklusive Zwangsabgabe für Bankkunden treffen.

Sparer müssen zahlen

Zyperns Sparer sind außer sich: Erstmals sollen alle Bankkunden eines Landes an einem Hilfspaket der Eurozone beteiligt werden. Um einem massenhaften Ansturm auf die Konten wegen der Zwangsabgabe für alle Bankkunden zuvorzukommen, hat die Zentralbank Zyperns am Sonntag das gesamte Bankensystem quasi lahmgelegt. Zentralbankchef Panicos Demetreades verbietet in einem Schreiben laut Medienberichten "vorläufig und bis auf weiteres" sämtliche Transaktionen wie Auszahlungen oder Überweisungen innerhalb und außerhalb Zyperns, sogar innerhalb derselben Bank. Bereits erteilte Aufträge seien auszusetzen, heißt es weiter in dem Schreiben.

Vertreter der Eurozone verteidigten indes den Tabubruch, erstmals seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise vor drei Jahren Einleger an den Rettungskosten zu beteiligen. "Wir bestrafen Zypern nicht, wir versuchen die Probleme zu lösen", sagte Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem, nachdem sich die Euro-Finanzminister Samstag nachts auf ein Hilfspaket für die Inselrepublik geeinigt hatten. Es sieht vor, dass Zypern Hilfskredite des Euro-Rettungsschirms von zehn Milliarden Euro erhält, um seine Probleme im Bankensektor und im Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Weil eine höhere Summe den Schuldenberg untragbar vergrößert hätte, werden alle Kontoinhaber zur Kasse gebeten: Guthaben von unter 100.000 Euro werden einmalig mit 6,75 Prozent belastet, Beträge darüber mit 9,9 Prozent. Die Abgabe soll dem Staat zusätzliche 5,8 Milliarden Euro bringen.

Wobei die Prozentsätze laut einer den Beratungen nahestehenden Person noch nachverhandelt werden sollen. Als alternative Prozentsätze sollen 3,0 statt bisher 6,7 Prozent zu und 12,5 Prozent statt 9,9 Prozent im Raum stehen.

Banken bis Dienstag geschlossen?

Bei der Bevölkerung löste die Zwangsabgabe Empörung aus. Wer versuchte, sein Geld in Sicherheit zu bringen, hatte dazu aber keine Chance mehr: Auch Online-Banking war nicht mehr möglich. Bis Dienstag soll der Konten-Zugriff abgewickelt sein, am Montag sollten die Banken wegen eines Feiertags geschlossen bleiben. Wegen der Sorge eines Bank-Runs könnten die Banken auch am Dienstag geschlossen bleiben, hieß es.

"Ich wünschte, die Euro-Finanzminister hätten das nicht getan", sagte der zypriotische Ressortchef Michael Sarris nach dem Brüsseler Verhandlungsmarathon. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte dagegen: "Wir haben nach langen und harten Verhandlungen einen Weg gefunden, Zypern zu helfen, ohne dabei die Zukunft des Landes zu verpfänden." Dazu müssten zur fairen Lastenteilung Eigentümer, Gläubiger und Einleger an den Kosten beteiligt werden. Zypern muss außerdem seine Unternehmenssteuer von zehn auf 12,5 Prozent erhöhen; nachweisen, dass es die EU-Regeln gegen Geldwäsche befolgt und den Bankensektor massiv verkleinern, der achtmal so groß ist wie sein jährliches BIP.

70 Milliarden Euro Sparguthaben

Die Sparguthaben auf zypriotischen Banken summieren sich auf 70 Milliarden Euro, davon dürfte ein großer Anteil reichen Russen und Briten gehören. Getroffen werden aber auch Griechen, die wegen der Krise in ihrem Land Konten auf der Insel eröffnet hatten. Großbritannien erklärte, es werde seine 3500 auf der Insel stationierten Militärangehörigen entschädigen. Spanien, das selbst ESM-Hilfen für seine Banken bekommt, erklärte, die Einleger-Beteiligung sei ein Einzelfall. Auch Dijsselbloem sprach von einer "maßgeschneiderte Lösung" für die Probleme Zyperns.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz verlangte dagegen in der "Welt am Sonntag" Nachbesserungen. Kleine Sparer in Zypern sollten verschont bleiben - etwa über einen Freibetrag von 25.000 Euro. Die Oppositionsparteien in Österreich lehnen die Sonderabgabe geschlossen ab. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache etwa ortete eine "Zwangsenteignung" der Sparer.

Deutschland hätte Freibetrag akzeptiert

Die deutsche Bundesregierung hätte nach Worten von Finanzminister Wolfgang Schäuble bei dem Rettungspaket für Zypern nicht auf die Ersparnisse von Kleinsparern zurückgegriffen. Berlin hätte die Einlagensicherung respektiert, die für Konten bis zu 100.000 Euro gilt, erklärte Schäuble in einem "Tagesthemen"-Interview. "Das war die zypriotische Regierung, auch die Europäische Kommission und die EZB, die haben sich für diese Lösung entschieden und das müssen sie nun dem zypriotischen Volk auch erklären", sagte Schäuble.

Auf die Frage, ob nicht auch ein Freibetrag möglich gewesen wäre, um die Zwangsabgabe sozialer zu gestalten, antwortete Schäuble, dass eine bestimmte Summe an Finanzmitteln zusammenkommen musste. "Wenn man auf der einen Seite nicht zu hoch gehen wollte in der Belastung der großen Investoren, dann kommt man auf die Summe nur, wenn man sie breit anlegt." Schäuble warnte das zypriotische Parlament vor einer Ablehnung des Rettungspaketes. Im Falle eines "Nein" seien die zypriotischen Banken nicht mehr zahlungsfähig. "Und dann kommt Zypern in eine sehr schwierige Lage."

Bundestag muss abstimmen

Im deutschen Bundestag, der das Hilfspaket ebenfalls absegnen muss, gibt es indes auch in den Reihen der Koalition leichte Vorbehalte: Rainer Brüderle, Fraktionschef der FDP und damit des CDU/CSU-Koalitionspartners, begrüßte zwar, dass auch die Gläubiger mit nahezu einem Drittel an der Zypern-Hilfe beteiligt werden sollten. Es müsse aber "den Regeln des ESM folgend, deutlich und nachvollziehbar die Systemrelevanz dargelegt werden". Dabei geht es darum, ob eine Pleite Zyperns den Euroraum insgesamt gefährden könnte. Der FDP-Finanzexperte und Euro-Kritiker Frank Schäffler kündigte indes sein Nein zum Zypern-Paket an, ebenso wie der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte hingegen das Zypern-Hilfspaket, "mit dem auch die Verantwortlichen zum Teil mit einbezogen werden und nicht nur die Steuerzahler anderer Länder".

OECD: "Alternative wären ernsthafte Verluste"

Der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurria, ist der Ansicht, dass die vorgesehenen Zwangsabgaben besser  für die betroffenen Bankkunden seien als die "ernsthaften Verluste", die sie im Fall eines Konkursverfahren der Banken auf dem Inselstaat erlitten hätten.

"Heute protestieren all jene, die in Zypern Ersparnisse haben, gegen diese Steuer, aber sie werden sehr zufrieden sein sie zu zahlen, denn die Alternative wäre natürlich gewesen, sehr ernsthafte Verluste zu haben", sagte Gurria am Sonntag gegenüber dem Hörfunk "Radio France International (RFI). Ohne finanzielle Unterstützung hätte es "riesige Verluste geben" können, so der OECD-Generalsekretär

(APA/dpa)


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