Sondersteuer in Zypern: Angst vor Run auf Europas Banken

(c) REUTERS (YORGOS KARAHALIS)
  • Drucken

Die Sondersteuer für Zyperns Sparer macht das bisher Undenkbare denkbar: Müssen demnächst auch andere Südeuropäer für die Rettung ihrer Banken zahlen?

[Brüssel] Die Erleichterung währte nicht einmal einen Tag. Als Jeroen Dijsselbloem Samstagnacht die Einigung über die Hilfe für Zypern verkündete, war die Hoffnung groß, das Programm im Umfang von zehn Milliarden Euro wäre ein weiterer Schritt auf dem Weg aus der Schuldenfalle. Doch nur wenige Stunden später wurde der Chef der Euro-Gruppe von den Ereignissen überholt: Statt für Beruhigung zu sorgen, hat der Zypern-Beschluss die Befürchtungen über eine Kernschmelze der Eurozone wieder verstärkt. In ganz Europa geht nun die Angst vor einem Run auf die Banken um.

Um das Volumen des Rettungspakets klein zu halten (was Grundbedingung des IWF für seine Partizipation war), begingen die Finanzminister der Eurozone einen Tabubruch: Erstmals müssen auch Bankkunden bluten. Fixiert wurde eine „einmalige Stabilisierungsabgabe" von 9,9 Prozent für Guthaben über 100.000 Euro, Kleinkunden müssen 6,75 Prozent ihres Ersparten abliefern. Das soll 5,8 Mrd. Euro bringen. Pragmatisch betrachtet hatten Zyperns Helfer in spe keine andere Wahl. Ohne den Rückgriff auf die Konten wäre die Staatsschuld Zyperns auf 140 Prozent des BIPs explodiert, was die spätere Zahlungsunfähigkeit garantiert hätte. Eine Refinanzierung des aufgeblähten Finanzsektors unter Umgehung des Staatshaushalts ist nicht möglich, solange die EU-Bankenunion nicht installiert ist.

Und eine Beteiligung der Gläubiger? Auch die war keine Option, wie ein Blick in die Bilanz der zweitgrößten zyprischen Bank verdeutlichte: Von jenen 30,4 Mrd. Euro, die die Laiki-Bank im dritten Quartal 2012 in den Büchern hatte, stammten gerade einmal 2,3 Mrd. von Gläubigern und Teilhabern. Bei ungesicherten Anleihen und Aktien war also zu wenig Geld zu holen - dafür aber bei den Kontoinhabern, von denen auffällig viele aus Russland stammen und die Mittelmeerinsel, so der unschöne Verdacht, als Steueroase nutzen.

--> Wut im Inselstaat: "Wir wurden geschlachtet"

Mit ihrem Beschluss geht die Eurozone allerdings ein politisches und ein systemisches Wagnis ein. Politisch ist die Sache riskant, weil am Sonntag nicht absehbar war, ob es Zyperns Regierung, die im Parlament über eine knappe Mehrheit verfügt, überhaupt gelingen würde, die Teilenteignung ihrer Sparer zu beschließen. Dass die Abgabe nicht nur reiche Russen trifft, sondern auch Pensionisten und Familien, heizt die Stimmung auf.

Russland hat nach Informationen aus Regierungskreisen noch keine Entscheidung über die Verlängerung eines Kredits an Zypern getroffen. Auch sei noch offen, ob sich russische Investoren an der Rekapitalisierung der Banken beteiligen sollten, hieß es am Montag aus Regierungskreisen. "Es gibt bisher keine Entscheidung." EU-Vertreter hatten gesagt, sie rechnen damit, dass Russland seinen Kredit im Volumen von 2,5 Mrd. Euro an den verschuldeten Inselstaat um fünf Jahre bis 2021 verlängert und möglicherweise seine Konditionen neu verhandelt.

Abmilderung für kleinere Summen?

Angesichts des Proteststurms in Zypern gegen die Zwangsabgabe bemüht sich die Regierung aber um eine Änderung der Rettungsvereinbarung in letzter Minute. Wie eine den Beratungen nahestehende Person der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag berichtete, führte die Regierung in Nikosia Gespräche mit den Geldgebern, um die Höhe der Sondersteuer zu verändern.

Bei den Verhandlungen gehe es um die Möglichkeit, Konten mit weniger als 100.000 Euro nur mit 3,0 statt bisher geplant mit 6,7 Prozent zu belasten. Im Ausgleich solle die Belastung für größere Geldbeträge auf 12,5 Prozent von den bisher vereinbarten 9,9 Prozent steigen, hieß es weiter. Das zypriotische Parlament soll die Rettungsvereinbarung am Montag absegnen. Die Zustimmung der Abgeordneten ist jedoch ungewiss.

Zahlungssystem eingefroren

Um zu verhindern, dass panische Kunden am Dienstag (Montag ist ein Feiertag) die Filialen stürmen, fror Zyperns Notenbankchef Panicos Demetreades am Abend kurzerhand das gesamte Zahlungssystem des Landes ein - „bis auf weiteres" seien alle Transaktionen gestoppt, hieß es.

Diese Verzweiflungsmaßnahme verdeutlicht das systemische Ausmaß der Zypern-Krise: Denn der EU steht nun die schwierige Aufgabe bevor, die Sparer in anderen Krisenländern davon zu überzeugen, dass sie nicht zum Handkuss kommen werden. Sollte diese Überzeugungsarbeit nicht fruchten, wäre ein südeuropäischer Run auf die Banken die Folge. Denn noch können Italiener oder Griechen ihr Erspartes ins vermeintlich sichere Deutschland transferieren.

Apropos Deutschland: Dass Berlin auch anderswo auf ähnliche Abgaben pochen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Widerstände gegen die Rettung der Eurozone auf Kosten der deutschen Steuerzahler nehmen zu - und mit ihm die Rufe nach radikaleren Maßnahmen. Neue Argumente lieferte zuletzt die „FAZ" in einem Bericht, dem zufolge die EZB ihre Vermessung der Vermögensverteilung in Europa unter Verschluss halten würde. Grund: Die Studie würde belegen, dass die durchschnittlichen Vermögen in Deutschland niedriger seien als in Italien und Frankreich - die beide von der deutschen Solidarität profitieren möchten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2013)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.