Zypern-Rettung wackelt - Warnung vor Kapitalflucht

ZypernRettung wackelt Warnung Kapitalflucht
ZypernRettung wackelt Warnung Kapitalflucht(c) EPA (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Zypern muss 5,8 Milliarden Euro von Bankkunden kassieren. Durch die geplante Entlastung der Kleinsparer steht nun aber das Hilfspaket auf der Kippe. Und auch im Parlament dürfte es keine Mehrheit geben.

Das Rettungspaket für Zypern wird wieder aufgeschnürt. Die Regierung von Zypern will Kleinsparer mit Guthaben bis zu 20.000 Euro von der geplanten Zwangsabgabe ausnehmen. Bis zu 100.000 Euro sollen 6,75 Prozent abgezogen werden. Für Beiträge über 100.000 Euro sollen 9,9 Prozent an den Staat gehen.

Zudem soll es Kompensationen in Form von Bankaktien geben. Darüber hinaus sollen diejenigen, die ihr Geld für die nächsten zwei Jahre im Lande lassen, 50 Prozent der verlorenen Summe in Form von Optionen auf die Gewinne aus den vermuteten Gasvorkommen vor der Küste Zyperns bekommen, berichtete das Staatsfernsehen.

Doch dieser Schritt hat zwei Haken:

  • Allein durch die Ausnahme für die Kleinsparer würden Zypern etwa 300 Millionen Euro fehlen, um die nötigen 5,8 Milliarden Euro einzusammeln, die zusammen mit den zehn Milliarden Euro der Geldgeber das klamme Land retten sollen. Die Hilfskredite aus dem Eurorettungsschirm ESM sind aber daran gekoppelt. Wie es aus Kreisen des Ministeriums hieß, sollen die nun fehlenden Gelder "aus anderen Quellen" kommen. Welche diese sind, blieb unklar.
  • Das Parlament dürfte am Dienstagabend der geforderten Abgabe auf Bankeinlagen nicht zustimmen, wie Regierungssprecher Christos Stylianides sagte. Auch Zyperns Präsident Nikos Anastasiades befürchtet eine Ablehnung: "Weil sie (die Menschen und Abgeordneten), empfinden, dass es ungerecht ist", sagte er am Dienstag im schwedischen Fernsehen. Keine der Parteien im 56 Sitze umfassenden Parlament hat eine Mehrheit. Es ist unklar, ob die Abgeordneten um 17 Uhr überhaupt zur entsprechenden Abstimmung erscheinen werden. Bisher haben 28 Abgeordnete erklärt, sie würden der geplanten einmaligen Zwangsabgabe auf Bankeinlagen - dem "Konfiszierungsgesetz", wie es auf Zypern mittlerweile genannt wird - nicht zustimmen. Damit würde sich keine Mehrheit ergeben. Zudem hat Anastasiades ein anderes Problem: Eine der Abgeordneten fehlt zurzeit, weil sie sich in Argentinien befindet. Eine schriftliche Stimmabgabe ist nicht möglich. Experten rechnen daher mit einer weiteren Verschiebung der Abstimmung.

Was passiert, wenn das Parlament die Entscheidung erneut verschiebt?

"Erst einmal gar nichts", sagt ein EU-Insider. Noch stehe Zypern nicht vor der akuten Zahlungsunfähigkeit, denn das Land habe bis Juni Geld. Erst dann - mit der Fälligkeit einer großen Anleihe - drohe die Zahlungsunfähigkeit. Insofern gibt es noch zeitlichen Spielraum.

Zentralbankchef warnt vor Bankensturm

Zypern wird nach Ansicht seines Zentralbankchefs die angepeilten Milliardeneinnahmen nach den derzeitigen Plänen nicht zusammenbekommen, wenn es Kleinanlegern bei der Zwangsabgabe einen Freibetrag gewährt. "Wir werden auf weniger als 5,8 Milliarden Euro kommen", sagte Zentralbankchef Panicos Demetriades am Dienstag vor einem Parlamentsausschuss in Nikosia. "Wenn wir auf 5,5 Milliarden Euro kommen, wird das als Bruch der Vereinbarung gesehen und vielleicht nicht akzeptiert werden", fügte er hinzu.

Demetriades fürchtet, dass die Anleger in den ersten Tagen nach einer Verabschiedung einer solchen Sparer-Abgabe die Banken stürmen würden. Mindestens zehn Prozent der Einlagen würden so abgehoben und ins Ausland geschafft, sagte er.

Eurogruppe: Entscheidung liegt bei Zypern

In Nikosia fanden am Dienstag auch intensive Gespräche hinter den Kulissen statt. Ob einige Abgeordnete umgestimmt werden können, war jedoch unsicher. Es könnte sein, dass die Abstimmung erneut verschoben wird, meinten Analysten. Die Abstimmung war ursprünglich bereits für Sonntag angesetzt, wurde jedoch zweimal verschoben.

Indes bekräftigte die Eurogruppe ihre Auffassung, dass Einlagen unter 100.000 Euro komplett garantiert werden sollten. Daher müsse Zypern die Einlagen oberhalb dieser Schwelle umso stärker in die Pflicht nehmen. Die Eurogruppe pocht darauf, dass das finanziell angeschlagene Land wie bereits vereinbart mit der Sondersteuer 5,8 Milliarden Euro auftreibt.

Die Entscheidung über einen Freibetrag für Kleinsparer liegt nach Aussage des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble aber bei Zypern. "Die Verantwortung dafür liegt nicht bei der Bundesregierung, sie liegt nicht bei den anderen europäischen Mitgliedstaaten." Es sei Sache der Regierung in Nikosia, Guthaben bis zu 100.000 Euro von der Abgabe auszunehmen, sagte Schäuble am Dienstag im Deutschlandfunk.

Zwangsabgabe

<b>Alter Vorschlag</b> <b>Neuer Vorschlag</b>
bis 20.000 6,75 Prozent Freibetrag
bis 100.000 6,75 Prozent 6,75 Prozent
über 100.000 9,9 Prozent 9,9 Prozent

Rund ein Drittel der Einlagen in Zypern sind in der Hand ausländischer Kontoinhaber. Die geplante Abgabe hatte große Entrüstung auf Zypern ausgelöst. Um einem massenhaften Ansturm auf die Konten zuvorzukommen, legte die Zentralbank Zyperns das gesamte Bankensystem quasi lahm. Die Banken bleiben bis einschließlich Mittwoch geschlossen, am Donnerstag sollen sie wieder geöffnet werden. Dies teilte am Montag die zypriotische Zentralbank mit. Damit soll verhindert werden, dass in großem Stil Geld abgezogen wird.

Schäuble: "Keine Sorge um den Euro"

Der deutsche Finanzminister sieht trotz aller Probleme im Euro-Raum die Gemeinschaftswährung in keinerlei Gefahr. "Um den Euro müssen wir uns keine Sorgen machen", sagte der Minister der Börsenzeitung vom Dienstag. Der Euro sei während der Krise stabil geblieben und habe sich als Gemeinschafts- und weltweite Reservewährung etabliert.

Bei der Krisenbewältigung sei Europa auf einem guten Wege. "Die ökonomischen Daten zeigen, dass unsere Strategie der Krisenbewältigung Wirkung zeigt - eine Tatsache, die auch die Finanzmärkte bemerkt haben und durch sinkende Refinanzierungskosten für die Länder honorieren, die zuvor noch unter besonderem Druck der Märkte standen", ergänzte Schäuble.

Zypern im Überblick

Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 18 Milliarden Euro (2011) und 862.000 Einwohnern ist Zypern eine der kleinsten Volkswirtschaften der Eurozone. Fast 90 Prozent dieser Summe wird benötigt, um den aufgeblähten Bankensektor zu stabilisieren.

Seit 2012 steckt das Land in einer Rezession. Die Arbeitslosigkeit steigt sprunghaft: Von 7,9 Prozent 2011 auf voraussichtlich über 13 Prozent im laufenden Jahr.

Ende 2011 machte der gesamte Schuldenberg des Landes 71,1 Prozent des BIP aus - bis 2014 erwartet die EU-Kommission 97 Prozent.

"Das ist finanzieller Völkermord"

So spürt Spanien trotz der Turbulenzen um die Rettung Zyperns Rückenwind am Geldmarkt. Das Land teilte am Dienstag Geldmarktpapiere mit Laufzeiten von drei und neun Monaten im Volumen von vier Milliarden Euro zu. Dabei zahlte das Land weniger Rendite als bei den jüngsten vergleichbaren Auktionen: Für die Dreimonatspapiere wurde ein Zins von 0,285 Prozent fällig - der niedrigste seit Beginn der Euro-Krise. Zuletzt hatte Spanien noch 0,421 Prozent berappen müssen. Die Neunmonats-Schuldtitel rentierten mit 1,007 (zuletzt 1,144) Prozent.

Mit Entsetzen hat hingegen die zypriotische Wirtschaft auf das in Brüssel verhandelte Rettungspaket reagiert. "Wir fühlen uns wie während des Krieges", sagte der Präsident der Industrie- und Handelskammer von Limassol, Philokypros Andreou, der Tageszeitung "Die Welt". "Wir fühlen uns so wie 1974, als die Türken einmarschiert sind. Heute gibt es nur einen Unterschied: Die Waffen sind nicht mehr Gewehre, die gegen uns gerichtet sind, sondern Finanzinstrumente. Das ist für uns ein finanzieller Völkermord", sagte der Kammerpräsident, der einen großen Teil der zypriotischen Wirtschaft vertritt (mehr dazu...).

ESM-Chef warnt vor unkontrolliertem Bankrott

Der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, hat die zypriotische Regierung vor einem Aufweichen des Rettungspakets für das pleitebedrohte Land gewarnt. Er betonte, ein unkontrollierter Bankrott des Landes "würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Euro insgesamt in Gefahr bringen". Regling zeigte sich zugleich zuversichtlich, die Talsohle der Eurokrise durchschritten zu haben.

Zypern Zwangsabgabe koennte entschaerft
Zypern Zwangsabgabe koennte entschaerft(c) APA

(APA/dpa)

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