Zypern: Kein einziges „Ja" für Rettungspaket

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Das Parlament in Nikosia hat die Zwangssteuer für Sparer abgelehnt, die EU und IWF als Voraussetzung für Finanzhilfe gefordert hatten. Nun droht der Staatsbankrott.

WIEN/NIKOSIA/WB/AG. Die Finanzkrise im EU-Mitglied Zypern hat sich am Dienstagabend massiv zugespitzt: Das Parlament in Nikosia verwarf einen Gesetzesentwurf, der eine Zwangssteuer auf Bankeinlagen vorsah. Die Steuer hatten EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) als Bedingung genannt, um der Insel finanziell zu helfen. Nun droht der Bankrott Zyperns - vorerst dürfte es aber neue Verhandlungen unter Einbindung Russlands geben: Viele Russen haben Konten auf Zypern.

36 von 56 Abgeordneten stimmten nach hitziger Debatte gegen die Steuer, 19 enthielten sich, eine Abgeordnete fehlte: Es gab also keine Ja-Stimme. Die Ablehnung hatte sich schon nach dem Beschluss des Rettungspakets am Wochenende durch EU und IWF abgezeichnet. Die Zwangssteuer sollte 5,8 Milliarden Euro bringen und war Bedingung von Kreditzusagen über zusätzliche zehn Milliarden Euro. In der zuletzt abgemilderten Fassung wären von Guthaben zwischen 20.000 und 100.000 Euro 6,75 Prozent einbehalten worden, bei höheren Beträgen 9,9 Prozent.

„Wie bei der Türken-Invasion"

Das reichte nicht, um die Abgeordneten zu besänftigen. Während der Debatte hieß es, es sei „eine Frage der Ehre, Nein zu sagen". Die Wirtschaft des Landes hatte angesichts der Kreditauflagen von „finanziellem Völkermord" gesprochen. Vor dem Parlament skandierten Demonstranten: „Wir werden nicht die Sklaven des 21. Jahrhunderts werden." „Wir fühlen uns so wie 1974, als die Türken einmarschiert sind", hatte der Präsident der Industrie- und Handelskammer, Philokypros Andreou, gesagt. Nur würden diesmal statt Waffen Finanzinstrumente eingesetzt. Präsident Nikos Anastasiades machte deutlich, dass er sich von den Euro-Partnern erpresst fühle.

Gelingt es Zypern nicht, „seine" Milliarden aufzustellen, droht der Bankrott. Vorerst scheint der rettende Geldhahn just in Moskau zu stehen: Dort wollte Zyperns Finanzminister Michael Sarris heute Mittwoch Gespräche über Finanzhilfen führen; Russland hat bereits einmal Zypern mit 2,5 Milliarden Euro ausgeholfen. Der staatsnahe russische Energiekonzern Gazprom dementierte, dass es ein Angebot an Zypern gebe, dem Land im Gegenzug für Förderrechte vor der Küste finanziell zu helfen.

Russlands Vizepremier Igor Schuwalow sagte unterdessen, die Zwangsabgabe könne eigentlich indirekt russischen Banken helfen: Die sollten die Chance nutzen und um neue Kunden kämpfen, das sei „eine Gelegenheit zu zeigen, dass unsere Regeln für die Behandlung von Investoren klar berechenbarer sind." Russlands Regierung hatte die Zwangsabgabe zuvor kritisiert.

Vertreter der Regierung in Nikosia wiesen im Gespräch mit der „Presse" darauf hin, dass der Finanzsektor samt Umfeld Zyperns Haupteinnahmequelle sei. „Hier ist bereits ein großer Schaden angerichtet." In den vergangenen Jahren boomte das Geschäft zyprischer Banken, die mit hohen Zinsen und Diskretion Kunden aus Russland, Großbritannien und Osteuropa anzogen. Die Konditionen trugen dem Land den Vorwurf der Unterstützung von Geldwäsche ein. Auch österreichische Firmen nutzen die Steuervorteile, rund 100 haben dort einen Sitz.

Der Staatsbankrott dürfte nicht gleich diese Woche eintreten: Aus zyprischen Regierungskreisen gab es Hinweise auf neue Gespräche mit der EU. „Wir warten auf einen Gegenvorschlag mit gleicher Wirkung", sagte gestern Abend ein Eurogruppen-Vertreter.

Britische „Geld-Luftbrücke"

Großbritannien hat unterdessen eine „Geld-Luftbrücke" zu seinen traditionellen Militärbasen auf Zypern eingerichtet: Hubschrauber flogen vorerst eine Ladung von einer Million Euro in Bar ein, um die rund 3000 britischen Soldaten sowie zehntausende britische Zivilisten „flüssig" zu halten.

Zypern im Überblick

Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 18 Milliarden Euro (2011) und 862.000 Einwohnern ist Zypern eine der kleinsten Volkswirtschaften der Eurozone. Fast 90 Prozent dieser Summe wird benötigt, um den aufgeblähten Bankensektor zu stabilisieren.

Seit 2012 steckt das Land in einer Rezession. Die Arbeitslosigkeit steigt sprunghaft: Von 7,9 Prozent 2011 auf voraussichtlich über 13 Prozent im laufenden Jahr.

Ende 2011 machte der gesamte Schuldenberg des Landes 71,1 Prozent des BIP aus - bis 2014 erwartet die EU-Kommission 97 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20. März 2013)

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