Nach Zypern-Plan: "Kleinsparer in ganz Europa verraten"

Jubel, aber auch Verzweiflung in Zypern nach der gescheiterten Abstimmung im Parlament.
Jubel, aber auch Verzweiflung in Zypern nach der gescheiterten Abstimmung im Parlament.(c) EPA (Filip Singer)
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Das Zypern-Hilfspaket von EU und IWF ist geplatzt. Die Banken des Landes könnten am Donnerstag wieder geöffnet werden.

Nach dem Scheitern des Rettungspakets im zypriotischen Parlament sucht die politische Führung in Nikosia fieberhaft nach einem Ausweg aus der drohenden Staatspleite. Staatspräsident Nikos Anastasiades berät die schwierige Lage an diesem Mittwoch mit den Vorsitzenden aller Parteien und dem einflussreichen Erzbischof Chrysostomos. Bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament am Dienstagabend hatte kein einziger Abgeordneter die geplante und hoch umstrittene Zwangsabgabe auf Bankguthaben mitgetragen. Sie ist aber Voraussetzung für das am Wochenende geschnürte internationale Hilfspaket der Europartner. Das Geld in der zypriotischen Staatskasse reicht nach früheren Regierungsangaben indes noch bis Mai.

Zypern erwägt die Wiedereröffnung seiner Banken am Donnerstag unter strikten Auflagen. "Derzeit geht es darum, ob die Banken morgen wieder geöffnet werden - und wenn, wie", teilte ein ranghoher Regierungsvertreter am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters per SMS mit. "Kapitalkontrollen werden erwogen." Der Ministerrat wird nach Berichten zypriotischer Medien am heutigen Mittwoch ab 17 Uhr darüber entscheiden, wann die seit mehreren Tagen geschlossenen Banken wieder öffnen sollen.

Zuvor hatte es geheißen, die zypriotischen Banken zumindest bis Dienstag kommender Woche geschlossen blieben. Geplant war, dass die Banken auch am Donnerstag und Freitag geschlossen bleiben. Am kommenden Montag ist Feiertag auf Zypern. Zudem soll es für unbestimmte Zeit Einschränkungen für Überweisungen ins Ausland geben, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen der Regierung und der Zentralbank Zyperns erfuhr. Offiziell wurde dies jedoch nicht bestätigt.

Nowotny: "Eine Herausforderung"

Wenn das zypriotische Parlament den Beitrag des Landes zum Rettungspaket ablehnt - wie am Dienstagabend in der Abstimmung geschehen - dann sind auch die Zusagen von EU und IWF hinfällig. Damit würden die Verhandlungen zur Rettung Zyperns wieder bei Null anfangen, sagte OeNB-Chef Ewald Nowotny am Dienstagabend in der "ZiB2". Jetzt noch rechtzeitig eine Lösung zu finden sei aber "eine Herausforderung".

Die Euroländer würden aber keinesfalls Zypern den Ausstieg aus der Währungsunion nahelegen, versicherte Nowotny. Das kleine Zypern, auf das nur 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU entfällt, pleitegehen zu lassen, wäre "ein Experiment, das wir an sich lieber nicht machen wollen". Auch wenn es im Vorfeld eine Diskussion gegeben habe, ob Zypern überhaupt systemrelevant ist.

Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, hat es bedauert, dass das zypriotische Parlament das Rettungspaket für das Land abgelehnt hat. Die Entscheidung sei "enttäuschend", sagte der niederländische Finanzminister am Dienstagabend im niederländischen Fernsehen. Die Eurogruppe halte jedoch an ihrem Angebot und den Bedingungen fest, sagte er.

"Kleinsparer in ganz Europa verraten"

Der deutsche SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gibt auch der deutschen Bundesregierung Schuld an dem Zypern-Debakel. "(Bundeskanzlerin, Anm.) Angela Merkel ist mitverantwortlich dafür, dass in Zypern Kleinsparer die Zeche zahlen sollen - aber die Bankeigentümer ungeschoren davonkommen", sagte Gabriel zu "Spiegel Online". Die Kanzlerin habe zugelassen, dass erstmals in der Euro-Krise Kontoinhaber "faktisch teilenteignet" würden.

"Sie hat damit das Versprechen, dass sie 2008 gemeinsam mit (dem heutigen SPD-Kanzlerkandidaten) Peer Steinbrück den deutschen Kleinsparern gegeben hat, für die Kleinsparer in ganz Europa verraten", so Gabriel. "Dieses Vertrauen in Europa wieder herzustellen wird schwer." Es sei nicht allein Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gewesen, der mit dem hoch verschuldeten Euroland Zypern verhandelt habe, sondern die Kanzlerin selbst. "Sie hat beim Brüssel-Gipfel die Linie vorgegeben", so Gabriel.

"Keine Auswirkungen auf Rest der Eurozone"

Schäuble selbst reagierte enttäuscht auf das Scheitern des vereinbarten Zypern-Rettungspakets. "Wir bedauern, dass das zypriotische Parlament sich heute gegen das von der Eurogruppe gemeinsam mit der zypriotischen Regierung erarbeitete Programm entschieden hat", erklärte Schäuble am späten Dienstagabend in Berlin. Er betonte zugleich: "Wir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die heutige Entscheidung auf Zypern keine negativen Auswirkungen auf den Rest der Eurozone haben wird."

Nun ruhen die Hoffnungen der Zyprioten auf Russland. Wie Anastasiades' Büro mitteilte, telefonierte der Präsident nur wenige Minuten nach der gescheiterten Abstimmung mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Das Gespräch habe etwa 30 Minuten gedauert und die Finanzbeziehungen beider Staaten betroffen. Das Staatsfernsehen (RIK) berichtete, beide hätten sich auf ein Treffen geeinigt. Ein Termin wurde aber nicht genannt.

Auf der verzweifelten Suche nach Geldquellen war auch der zypriotische Finanzminister Michalis Sarris bereits am Dienstag nach Moskau geflogen. Er hoffe, dass noch am Mittwoch eine Vereinbarung über einen Kredit aus Russland getroffen werden könnte, sagte Sarris am Mittwoch. "Wir hatten eine sehr ehrliche Diskussion, wir haben unterstrichen, wie schwierig die Lage ist", so Sarris nach ersten Gesprächen. "Es gab keine Angebote, nichts Konkretes. Wir sind zufrieden mit einem guten Auftakt." Zypern hatte Russland um eine Verlängerung eines existierenden Kredits im Volumen von 2,5 Milliarden Euro um fünf Jahre sowie um einen Zinsnachlass gebeten. Russische Unternehmen haben aus Steuergründen Milliardensummen nach Zypern transferiert.

Keine einzige Stimme für Zwangsabgabe

Nach hitziger Debatte hatten 36 von 56 Abgeordneten gegen die Zwangsabgabe gestimmt. 19 enthielten sich nach Angaben von Parlamentspräsident Giannakis Omirou der Stimme. Eine Abgeordnete war nicht anwesend. Anastasiades erklärte, er werde die Entscheidung respektieren.

Der Stopp der Zwangsabgabe stellt seine eben erst gewählte Regierung aber auf die Zerreißprobe. Unter dem Druck massiver Proteste hatte die Regierung die einmalige Abgabe für Bankkunden vor der Abstimmung bereits abgeschwächt. Nach der Änderung sollte das Gesetz Guthaben bis zu 20.000 Euro verschonen. Die Zwangsabgabe soll 5,8 Milliarden Euro einbringen - und ist Bedingung der Europartner für Kreditzusagen im Umfang von zehn Milliarden Euro.

EZB versorgt Zypern weiter mit Geld

Die Europäische Zentralbank (EZB) versicherte am Dienstagabend in einer kurzen Stellungnahme, sie werde die Liquiditätsversorgung der Banken in Zypern im Rahmen der bestehenden Regelungen weiter sicherstellen.

(APA/dpa)

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