Brüssel stellt Finanzdamm für Zypern auf

Bruessel stellt Finanzdamm
Bruessel stellt Finanzdamm(c) REUTERS (ANDREAS MANOLIS)
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Die EU empfiehlt der Insel die Aufhebung des freien Geldverkehrs. Die Europäische Zentralbank will Nikosia nur noch bis Montag finanzieren.

Brüssel. Wenn sich die Flut ohnehin nicht verhindern lässt, muss ein möglichst starker Damm her – diese Gedankenrichtung herrschte am Donnerstag in Brüssel vor. Denn die EU stellt sich offenbar darauf ein, den freien Kapitalverkehr für Zypern außer Kraft zu setzen. Wie die französische Nachrichtenagentur AFP aus EU-Diplomatenkreisen erfahren hat, ist Nikosia aufgefordert worden, möglichst rasch drei Hausaufgaben zu erledigen: erstens die Zwangsfusion der zwei größten Banken vorzubereiten, zweitens einen glaubwürdigen Plan B für die Überbrückung des finanziellen Engpasses zu erstellen – und drittens Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, und zwar für einen längeren Zeitraum. Dann wäre die Insel vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten, es könnte also kein Geld außer Landes geschafft werden.

Der Countdown für Nikosia läuft bis Montag. So lange will die Europäische Zentralbank die Geldversorgung garantieren. Sollte bis dahin kein Rettungsplan stehen, wird die EZB den Geldhahn für Zypern zudrehen – und die überschuldete Mittelmeerinsel geht pleite, denn auf dem freien Markt kommen Zyperns Banken schon lange an keine Mittel heran. Bisher sprang die EZB – bzw. Zyperns Nationalbank – im Rahmen der sogenannten ELA-Schiene ein, das Liquidität für in Schieflage geratene Euro-Mitglieder garantieren soll. Das Problem: ELA ist als kurzfristiges Notprogramm gedacht und nicht als Staatsfinanzierung mittels Geldpresse. Je länger die Krise anhält, desto unglaubwürdiger wird die Behauptung, Zypern brauche nur ein wenig Zeit, um aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen. De US-Ratingagentur S&P hat ihre Schlüsse bereits gezogen und die Kreditwürdigkeit Zyperns am Donnerstagabend auf "CCC" von "CCC+" gesenkt. In beiden Fällen handelt es sich um Ramsch-Status. Dem Euro-Land droht der finanzielle Kollaps.

Wie berichtet braucht Zypern 17 Mrd. Euro, um die Löcher in Bankbilanzen und Budget zu stopfen. Die internationalen Geldgeber sind allerdings nur bereit, mit zehn Milliarden beizustehen, den Rest muss Zyperns Finanzminister Michalis Sarris auftreiben.

Die ursprüngliche Idee, die zyprischen Kontoinhaber zur Kassa zu bitten, um auf diese Weise 5,8 Mrd. Euro zu lukrieren, wurde bekanntlich vom Parlament abgelehnt. Stattdessen einigten sich Zyperns Parteien am Donnerstag auf die Schaffung eines nationalen Rettungsfonds, der aus mehreren Geldquellen gespeist werden soll: Infrage kommen unter anderem die zyprischen Pensionskassen, die Goldreserven der Insel sowie die Kirche, die mit ihren weltlichen Gütern beistehen soll. Den (optimistischen) Schätzungen des zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiades zufolge sollen so 4,8 Mrd. Euro eingespielt werden.

Woher die restliche Milliarde kommen soll, darüber herrschte am Nachmittag noch Unklarheit – die Rede war wahlweise von neuen Steuern bzw. von einer einmaligen Sonderabgabe für Kontoguthaben über 100.000 Euro. Die Kleinkunden sollen jedenfalls verschont bleiben. Noch am Abend wollte das Parlament in Nikosia über diesen Plan B beraten. Ob der zypriotische Gegenvorschlag den Sanktus von EU und IWF erhalten würde, war vorerst nicht bekannt. Die Abstimmung über den Rettungsplan erfolgt in Zyperns Parlament dann am Freitag.

Moskau lehnt sich zurück

Klar ist hingegen, dass Zypern – zumindest vorerst – nicht auf Hilfe aus Moskau zählen kann. Neue Hilfskredite werde es nicht geben, teilte Finanzminister Sarris gestern mit. Die russische Regierung, die Zypern bereits vor zwei Jahren 2,5Mrd. Euro geliehen hat, ist mit dem Krisenmanagement alles andere als zufrieden. Und nachdem knapp 20Mrd. Euro in Zyperns Banken aus Russland stammen sollen, ist Moskau daran interessiert, einen Haarschnitt für die Kontoinhaber möglichst zu vermeiden.

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, der am Donnerstag in Moskau weilte, gab jedenfalls zu, die Vorgangsweise nicht mit Russland abgesprochen zu haben.

Auf einen Blick

Zyperns Parteien einigten sich gestern auf die Schaffung eines nationalen Rettungsfonds, der den Bankrott der Insel abwenden soll. Um den Fonds mit 4,8 Mrd. Euro zu füllen, sollen die Pensionskassen geplündert und die Goldreserven der Notenbank verkauft werden, auch die Kirche Zyperns steht mit ihren weltlichen Gütern bei. Bis Redaktionsschluss war nicht sicher, ob eine Zwangsabgabe für Bankguthaben über 100.000 Euro Teil des Rettungsplans sein würde, Kleinsparer sollen aber verschont bleiben. Ob Zyperns Parlamentarier diesem Plan B zustimmen werden, ist nicht klar – auch die Zustimmung von EU und IWF ist nicht sicher. Die Europäische Zentralbank will Zypern jedenfalls nur noch bis zum kommenden Montag mit Liquidität versorgen. Gibt es bis dahin keine Einigung, geht die Insel pleite.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2013)


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