Völkerrecht: Abkommen schützt russische Anleger vor Enteignung

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Die in Zypern stark vertretenen Investoren aus Russland könnten bei allzu intensiven Eingriffen ein Schiedsgericht anrufen.

Wien. Wenn russische Anleger durch gröbere Einschnitte in ihre Guthaben in Zypern betroffen wären, müsste mit einem juristischen Nachspiel gerechnet werden. Davon ist der Völkerrechtsexperte August Reinisch überzeugt. Der Vizedekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Leiter von deren Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen weist im Gespräch mit der „Presse“ darauf hin, dass Russland und Zypern 1997 ein bilaterales Investitionsschutzabkommen geschlossen hätten, das russische Anleger vor einer Enteignung schützt. Aber auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung, im Völkerrechtsjargon „Expropriation light“ genannt, wird durch das Abkommen untersagt.

„Es würde mich nicht wundern, wenn russische Investoren kämen und sich auf das Abkommen beriefen“, sollten ihre Bankguthaben in Zypern angegriffen werden, sagt Reinisch. Das Abkommen schützt ausdrücklich „alle Arten von Guthaben“, also bei Weitem nicht nur Direktinvestitionen. Die Einhebung von Steuern ist allerdings, solange diese nicht exorbitant hoch sind, keine Enteignung – zuletzt war von 9,9% auf Guthaben ab einem Betrag von 100.000 Euro die Rede. Also bliebe russischen Anlegern nur, eine faire und gerechte Behandlung einzufordern. Wo diese bei Zugriffen auf Guthaben endet, darauf gibt es in der Völkerrechtspraxis noch keine Hinweise. Präzedenzfälle gibt es hingegen zur Rechtfertigung für Eingriffe durch finanziellen Notstand: Eine solche Rechtfertigung haben einige Investitionsschiedsgerichte bereits festgestellt. Ob sie auch im Fall argentinischer Anleihegläubiger zu bejahen wäre, die infolge der Finanzkrise 2000/2001 um ihr Geld umgefallen sind und ein Schiedsgericht des ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes) angerufen haben, ist noch offen. Immerhin hat sich das Schiedsgericht für Bondholder-Klagen für grundsätzlich zuständig erklärt. Das Abkommen Zyperns mit Russland enthält keine Notstandsklausel – an so dramatische Situationen wie heute hat 1997 niemand gedacht–, doch könnte Zypern sich nach allgemeinem Völkerrecht auf Notstand berufen.

Russen könnten das Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer oder ein Ad-hoc-Schiedsgericht nach den Schiedsregeln der Uncitral anrufen. Österreich hat mit 62 Ländern Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, aber nicht mit Zypern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)


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