Countdown: "Der Finanzplatz Zypern ist ohnehin erledigt"

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Während in Nikosia fieberhaft nach alternativen Geldquellen gesucht wurde, machte Kanzlerin Angela Merkel klar, dass ein Griff in die Pensionskassen für sie nicht infrage komme.

Brüssel. Es ist ein Wettlauf gegen die Uhr. Spätestens bis Montag muss die Isolationsstation für den zyprischen Patienten bereitstehen, damit das Virus der Kapitalflucht nicht auf die anderen Länder der EU übergreift. Freitagabend wollte Zyperns Parlament erneut zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über einen Gesetzesvorschlag zu beraten, der die überschuldete Mittelmeerinsel vom internationalen Geldmarkt abschneiden soll.

Als Kompromissvariante zur Abwendung eines Staatsbankrotts war nach Angaben des zyprischen Fernsehens zuletzt eine Zwangsabgabe von 15 Prozent auf Guthaben von mehr als 100.000 Euro im Gespräch. Präsident Nikos Anastasiades stimmte die Bevölkerung auf „schmerzhafte Schritte“ ein. Das Land müsse gerettet werden, schrieb er in einer Twitter-Botschaft. Ein Regierungssprecher erklärte: „Das wird alle etwas kosten.“ Die Entscheidung darüber soll am Samstag fallen.

Auch Finanzminister Michael Sarris, gerade erst von einer Sondierungsmission in Moskau zurückgekehrt, bekräftigte, dass nun wieder eine Zwangsabgabe zur Debatte stehe. Ein solches Modell hatte das Parlament in Nikosia vor wenigen Tagen mit großer Mehrheit abgelehnt. Auf dem Tapet stand überdies eine Abwicklung eines Teils der Laiki-Bank. Dadurch würde der Finanzbedarf zur Rettung des Bankensektor reduziert, die Verluste für Kontoinhaber allerdings noch höher ausfallen.

17 Mrd. Euro Finanzierungsbedarf

Aus Brüsseler Sicht darf Nikosia die Freiheit des EU-Binnenmarkts einschränken. Wie berichtet, will die Europäische Zentralbank ihre Geldzufuhr für Zypern am Montag kappen, falls es keine Einigung über die Rettung von Banken und Budget gibt. EU und IWF wollen der Insel nicht mehr als zehn Milliarden Euro leihen, der Finanzierungsbedarf wird auf 17 Mrd. Euro geschätzt. Staatschef Anastasiades muss also die fehlenden Milliarden auftreiben – da eine Erhöhung der Unternehmenssteuer sowie Privatisierungen bereits fix eingeplant sind, geht es „nur“ um 5,8 Mrd. Euro, die über eine Sondersteuer für Kontoinhaber eingespielt hätten werden sollen.

Fusion von „Good“ und „Bad“ Bank

Nachdem Zyperns Parlament diese Option abgelehnt hat, sollte ein Plan B, der gestern ebenfalls auf der Agenda des Parlaments stand, Abhilfe schaffen. Er sieht die Gründung eines „Nationalen Solidaritätsfonds“ vor, in den Gelder der öffentlichen Pensionskassen, Kirchenvermögen und Goldreserven der Nationalbank einfließen sollen. Da dies aber nicht reichen dürfte, ist eine Fusion der zwei größten Banken des Landes geplant. Die neue Entität soll dann in eine „gute“ und eine „schlechte“ Bank aufgespaltet werden: die erste mit allen Einlagen unter 100.000 Euro, die zweite mit den restlichen Großkunden der maroden Leiki-Bank – die, so die unausgesprochene Annahme, dann einen massiveren „Haircut“ zu befürchten hätte als die anvisierten 9,9 Prozent.

Kritik kommt nicht nur – wenig überraschend – vom Pensionistenverband und den betroffenen Banken, sondern auch aus Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ am Freitag wissen, dass sie die Plünderung der Pensionskassen für keine gute Idee halte: „Das können wir auf keinen Fall akzeptieren.“ Grund: Pensionen sind nichts anderes als gesetzlich gedeckte staatliche Zahlungszusagen, Zyperns Geldproblem wäre damit also nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben – es sei denn, Nikosia hätte ernsthaft vor, nicht die Kontoinhaber, sondern die Pensionisten zu enteignen.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte Zypern vor einer Staatspleite. In Zypern wachsen unterdessen die antideutschen Ressentiments. „Wer ist das nächste Opfer?“, fragte Zyperns Ex-Zentralbankchef Orphanides: „Luxemburg? Malta?“ Er sagte: „Europa ist tot.“

Zsolt Darvas von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel weist gegenüber der „Presse“ auf einen weiteren Grund für das fehlende deutsche Mitleid hin: „Noch Ende 2012 waren die Sparkonten auf Zypern mit 4,5 Prozent und in Deutschland mit 1,5 Prozent verzinst.“ Viele ausländische Kontoinhaber – Zypern ist beliebte Anlaufstelle für russisches Kapital, dessen Volumen auf bis zu 30 Mrd. Euro beziffert wird – hätten also darauf gewettet, dass die EU im Fall des Falles die Banken der Insel retten würde.

Und zwar auf Kosten deutscher Steuerzahler und Sparer. Diese Wette ist nun verloren. Darvas: „Als Finanzplatz ist Zypern ohnehin erledigt.“ Selbst mit einem Hilfspaket werde am ersten Tag, an dem die Kapitalschranken nicht mehr gelten, die große Geldflucht einsetzen.

Euro-Krisengipfel am Sonntag?

Sollte Nikosia seinen Plan B absegnen hätte die EU nur wenig Zeit, um ihn zu begutachten. In EU-Kreisen kursierte das Gerücht, die Staats- und Regierungschefs der Eurozone würden am Sonntag in Brüssel das weitere Vorgehen erörtern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)


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