Schäuble will sich von Zypern nicht erpressen lassen

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Der deutsche Finanzminister zeigt Härte. Zypern müsse die Regeln der Eurozone respektieren. Die Gespräche befinden sich in einer heiklen Phase.

Die Bemühungen um eine Rettung Zyperns vor dem Staatsbankrott laufen unter wachsendem Zeitdruck auf Hochtouren. Vor den entscheidenden Gesprächen hat sich vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Zypern gegenüber unnachgiebig gezeigt. "Die Länder der Eurozone wollen den Zyprioten helfen, aber die Regeln müssen respektiert werden", sagte Schäuble der "Welt am Sonntag". Er wolle Zypern zwar in der Eurozone halten. "Ich bin aber auch dafür bekannt, dass ich mich nicht erpressen lasse", machte der Minister klar. "Ich weiß um meine Verantwortung für die Stabilität des Euro. Wenn wir jetzt falsche Entscheidungen treffen, tun wir dem Euro einen Bärendienst."

Der Staatspräsident Nikos Anastasiades weilt bereits seit Sonntagvormittag in Brüssel. "Die Gespräche befinden sich in einer heiklen Phase. Die Situation ist sehr schwierig", erklärte der Präsident. Anastasiades wird von Finanzminister Michalis Sarris und der Führung der Zentralbank Zyperns begleitet, berichtete das Staatsradio (RIK).

Abstimmungsgespräch mit EU-Spitze

Vor dem für Sonntagabend geplanten Krisentreffen der Euro-Finanzminister sind Spitzenvertreter der Europäischen Union in Brüssel mit dem zyprischen Präsidenten zusammengekommen. Das Gespräch solle auch helfen, eine Lösung für das pleitebedrohte Mittelmeerland zu finden, berichteten EU-Diplomaten am Sonntag. Anastasiades traf dem Vernehmen nach EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionschef Jose Manuel Barroso. Welche konkrete Lösung für das pleitebedrohte Mittelmeerland erörtert wurde, war zunächst nicht bekannt. Gespräche mit IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Präsident Mario Draghi, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und EU-Währungskommissar Olli Rehn waren ebenfalls geplant

Die Zeit drängt: Sollte Zypern bei der Sondersitzung der Eurogruppe am Abend keine Einigung gelingen, will die Europäische Zentralbank (EZB) kein Geld mehr in das bankrotte Land schicken. Dann würde die Wirtschaft binnen Stunden zusammenbrechen. "Drama mit ungewissem Ende", titelte die zyprische Zeitung "Kathimerini."

Die EU-Kommission mahnte mit ungewohnt drastischen Worten eine Lösung der Zypern-Krise noch an diesem Wochenende an. "Es ist ganz entscheidend, dass sich die Eurogruppe am Sonntagabend in Brüssel auf ein Hilfsprogramm für Zypern einigt", sagte Währungskommissar Olli Rehn am Samstag. "Die Ereignisse der vergangenen Tage haben leider zu einer Situation geführt, in der es keine optimale Lösung mehr gibt."

Einigung mit Troika über Sonderabgabe

Doch es besteht noch Hoffnung auf eine sprichwörtliche Rettung in letzter Sekunden: Wie ein hochrangiger zyprischer Regierungsangehöriger Samstagabend mitteilte, habe man mit der Troika eine Einigung bei den Sonderabgaben auf Bankeneinlagen erzielt.

Man habe sich verständigt, eine einmalige Abgabe in Höhe von 20 Prozent auf Einlagen bei der Bank of Cyprus von mehr als 100.000 Euro zu erheben, sagte der Regierungsangehörige über die in Gesprächen mit EZB, IWF und EU-Kommission gefundene Vereinbarung. Vier Prozent würden auf die Einlagen über 100.000 Euro bei den anderen zyprischen Finanzinstituten verlangt. Die Zeitung "Kathimerini" berichtete, die Abgabe auf Einlagen bei der Cyprus Bank werde zwischen 18 und 22 Prozent betragen. Für alle anderen Banken könnte eine Zwangsabgabe in Höhe von vier Prozent auf Guthaben über 100.000 Euro kommen. Der Pensionsfonds wird demnach nicht angetastet, um die Voraussetzungen für die zehn Milliarden Euro umfassenden EU-Hilfen zu schaffen.

Zuvor hatte sich Finanzminister Michalis Sarris positiv über den Verlauf der Gespräche mit der Troika geäußert. "Es gibt wahrhaftig Fortschritte. Wir haben ein umfassendes Programm vorgelegt", sagte er.

Nur mehr 100 Euro pro Tag

Die EZB hat Zypern eine Frist bis Montagabend gesetzt. Bis dahin muss der eigene Beitrag stehen. 5,8 Milliarden Euro sollen aus dem Finanzsektor kommen, erst dann können die zehn Milliarden Euro von EU und IWF freigegeben werden. Im Mittelpunkt der Gespräche Zyperns mit der Troika stand die Zwangsabgabe auf Geldeinlagen des größten zyprischen Geldinstituts, der Cyprus Bank. Dort sollen russische Oligarchen Milliarden geparkt haben.

Es wird erwartet, dass das zyprische Parlament am Sonntagabend über die Zwangsabgabe entscheidet. Ein erster Entwurf war mit Pauken und Trompeten von den Abgeordneten abgelehnt worden.

Am Dienstag sollen die seit Samstag vor einer Woche geschlossenen Banken wieder öffnen. Derzeit gibt es auf der Insel Bargeld nur vom Bankautomaten, wobei nun seit Sonntagnachmittag die zyprischen Banken die möglichen Behebungen auf Beträge zwischen 100 bis 120 Euro pro Tag gesenkt haben.

Finanzsektor in Zypern

Der Finanzsektor und finanzielle Dienstleistungen machen einen Anteil von 45 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Zypern aus. Zusammen mit dem Tourismus sind es 70 Prozent der Wirtschaftsleistung. Rund 8500 Menschen arbeiten direkt in Zypern in der Finanzbranche. Rund ein Drittel der Einlagen bei den zypriotischen Banken, die insgesamt auf 69 Milliarden Euro geschätzt werden, kommt aus Russland.
Das BIP lag im vergangenen Jahr bei rund 18 Milliarden Euro, die Staatsverschuldung betrug 86 Prozent der Wirtschaftsleistung, das Staatsdefizit lag bei 5,2 Prozent der Wirtschaftsleistung.

(APA/Reuters)

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