"Die psychologischen Auswirkungen sind elementar"

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Wohin reiche Russen nach der Zypern-Rettung flüchten, erzählt Johann Jonach, einer der besten Kenner russischer Milliardäre.

Die Presse: Herr Jonach, haben Sie jemals jemandem zu Investitionen in Zypern geraten?

Johann Jonach: Nein.

Warum nicht?

Es hat keinen direkten Anlassfall gegeben. Zypern-Bezug besteht ja normalerweise bei Unternehmungen, falls optimale Steuerlösungen angeboten werden sollten. Heute haben viele große russische Konzerne, auch staatliche, ihre Holdingstrukturen in Zypern. Für Privatbanking aber hat das Land keine so große Rolle gespielt.

Sie sind ständig in Kontakt mit Russlands Reichen. Was haben Sie bisher als Reaktion auf die Vorgehensweise in Zypern gehört?

Die psychologischen Auswirkungen sind ganz elementar. Viele sind schockiert. Dass so etwas in Russland möglich ist, wissen sie, aber in Europa hätten sie es nicht erwartet. Der erste Lösungsvorschlag war der Schock.

Der erste?

Ja, denn die erste Variante wäre faktisch eine Enteignung mit einem neuen Gesetz gewesen – also ein Tabubruch, der wenig durchdacht war.

Aber die jetzige zweite Lösungsvariante mit der Bankabwicklung kommt die reichen Russen ja teurer als die ursprüngliche Variante. Sie könnten ein Drittel ihres Vermögens verlieren.

Aber die Variante, dass Anleger zur Gesundung strauchelnder Banken ihren Beitrag leisten müssen, ist rechtlich logischer und wurde auch in anderen Fällen schon praktiziert. Es ist eben ein normales Risiko, dass ein Partner, dem man Geld gibt, auch in Schwierigkeiten geraten kann. Natürlich sagen die Russen, schuld sei nicht Zypern selbst, sondern die Konstruktion des Euro.

Die Konstruktionsprobleme waren aber auch vorher bekannt. Genauso wie die Fragilität des zypriotischen Wirtschaftsmodells. Lebten die Russen in Illusionen?

Wie es aussieht, war doch die Mehrheit der Meinung, dass Zypern so geholfen wird wie anderen Ländern. Wiewohl ich aus persönlichen Gesprächen weiß, dass im Lauf der vergangenen Monate viele Leute überlegt haben, wohin sie den Schwerpunkt ihrer Geschäfts- und Bankbeziehungen von Zypern weg verlegen könnten.

Aber das allein bestätigt ja, dass man es vorhersehen konnte, oder?

Dass eine Gefahr bestanden hat, war evident. Schon 2010 ist ja Russland selbst mit kurzfristiger Finanzhilfe eingesprungen. Aber offensichtlich hat der Großteil das Warnsignal nicht erkannt.

Meinen Sie, dass nun das Vertrauen der Russen in alle EU-Länder erschüttert ist?

Ja, das glaube ich schon, denn es wurde hier in Russland auch relativ ausführlich berichtet, wie es angeblich zu diesem Vorschlag gekommen ist. Man fürchtet, dass es bei ähnlichen Situationen in anderen EU-Ländern wieder zu solchen Entwicklungen kommen könnte.

Rechnen Sie damit, dass jetzt Geld aus Zypern abgezogen wird, sobald es Zugriff gibt?

Auf alle Fälle. Die Frage ist nur, wie schnell das möglich sein wird. Ich nehme an, dass es eher eine lange Frist für Kapitalbeschränkungen geben wird.

Und wo dann hin mit dem Geld?

Die logische Antwort wäre gewesen, in ein anderes EU-Land. Jetzt aber werden sich die Leute umschauen, ob sie außerhalb der EU etwas weniger Riskantes finden können.

Was kommt infrage? Singapur wird oft genannt.

Singapur hat über die vergangenen Jahre an Bedeutung gewonnen. Wobei man aber sagen muss, dass die dortigen Privatbanken von Anfang an die Herkunft der Gelder detailliert durchleuchtet haben. Das ist sicher keine Lösung für die, die nicht einwandfrei nachweisen können, woher die Gelder kommen und dass sie versteuert wurden.

Zurück nach Russland, zumal Premier Medwedjew ja eigene Offshore-Zonen gründen will?

Das in Russland als Trend zu installieren wird nicht so ganz einfach sein.

Also bleibt vorerst doch wieder die EU als Hafen für russische Anlagegelder im Spiel?

Die EU wird nicht generell wegfallen, aber es ist sicher eine größere Vorsicht und vor allem Unsicherheit vorhanden. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Nicht-EU-Länder in Europa wieder stärker von Interesse werden für eine Reihe von Investoren. Sie – die Schweiz oder Liechtenstein – hatten in letzter Zeit auch kein leichtes Los aufgrund anderer Vorkommnisse, die es dort gab.

Auf einen Blick

Johann Jonach (50) ist Finanzberater mit Schwerpunkt auf Kunden aus Russland und der Ukraine. Zuvor war er Aufsichtsratsvorsitzender der größten russischen Privatbank Alfa-Bank und Chef von Raiffeisen Russland. Jonach lebt in Wien und Moskau. [Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2013)

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