Welchen Wert hat der zyprische Euro?

(c) EPA (GEORGIOS KEFALAS)
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Mit der Einschränkung des freien Kapitalverkehrs in Zypern soll die große Geldflucht verhindert werden. Nebenwirkung: Die Einheit der Eurozone wird infrage gestellt.

Brüssel. Noch ist nicht klar, ob und wie genau Zypern gedenkt, Geldabflüsse ins Ausland zu verhindern, doch bereits jetzt kursieren in der Blogosphäre Vorschläge, wie sich die absehbaren Kontrollen des Kapitalverkehrs umgehen ließen. Eine der im Netz propagierten Ideen lautet wie folgt: Eine Person aus dem EU-Ausland will in Zypern Eigentum um 100.000 Euro erwerben, sie nimmt Verbindung mit einem Zyprioten auf, der die Transaktion mit seinem eigenen Geld tätigt, im Gegenzug überweist der ausländische Käufer 90.000 Euro auf ein Konto in einem anderen EU-Land – und der Differenzbetrag von 10.000 Euro ist der Preis, den der involvierte Zypriote zahlen muss, um sein Vermögen ins Ausland zu transferieren.

Dieses Gedankenexperiment verdeutlicht, welche Gefahren von einer Einschränkung des Kapitalverkehrs ausgehen. Denn konsequent zu Ende gedacht bedeutet die Kapitalschranke nichts anderes, als dass der zypriotische Euro derzeit einen anderen Wert hat als das Geld der restlichen Eurozone. Bleibt man beim obigen Rechenbeispiel, dann wäre Zyperns Euro in Österreich nur 90 Cent wert.

Das Dilemma der Retter

Der EU-Vertrag verbietet Einschränkungen des freien Geldverkehrs. Ausnahmen sind nur aus Gründen der „öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ erlaubt – was nach Ansicht der EU-Kommission auf Zypern zutrifft. Die Retter stehen aber vor einem Dilemma: Je länger die Kapitalkontrollen aufrecht bleiben, und je umfangreicher sie ausfallen, desto schwerwiegender die Folgen für die Eurozone. US-Volkswirt Tyler Cowen etwa schätzt die Wertdifferenz zwischen einem zypriotischen und einem „deutschen“ Euro auf bis zu 50 Prozent. Laut Guntram Wolff vom Brüsseler Institut Bruegel werde damit die Bereitschaft der EZB, Banken mit Liquidität zu versorgen, infrage gestellt – ein möglicherweise „fatales Signal“.

Dass an den Finanzmärkten Nervosität herrscht, belegen die Reaktionen auf Aussagen des Euro-Gruppen-Chefs Jeroen Dijsselbloem vom Montag, denen zufolge die Abwicklung der zyprischen Laiki Bank als Blaupause dienen könnte. Gestern ruderte die EU-Kommission zurück. „Der Fall Zypern ist einzigartig“, sagte eine Sprecherin der Behörde. Sollte er es nämlich nicht sein, wäre es aus der Perspektive eines Sparers in einem anderen Krisenland durchaus rational, sein Guthaben in ein vermeintlich sicheres Euroland zu überweisen – und zwar bevor die nächsten Kapitalschranken aufgestellt werden. Die Folge wäre ein Bank Run im Zeitlupentempo.

EU-Parlament für Zwangsabgabe

Ob es der Kommission gelingen wird, die Wogen zu glätten, ist allerdings fraglich. Denn just nach dem gestrigen Beruhigungsversuch meldete sich der schwedische EU-Parlamentarier Gunnar Hökmark zu Wort: Guthaben über einem Betrag von 100.000 Euro sollten EU-weit für Rettungsaktionen herangezogen werden, sagte Hökmark, der im Namen des Parlaments die Verhandlungen über die Abwicklung angeschlagener Banken führt.

Am Dienstag bezifferte Zyperns Finanzminister Michalis Sarris den Abschlag, auf den sich die Inhaber von Konten über 100.000 Euro bei den zwei größten Instituten des Landes einstellen müssen, mit 40 Prozent. Die seit dem vorletzten Wochenende geschlossenen Banken sollen am morgigen Donnerstag wieder öffnen – bis zuletzt war nicht klar, welche Beträge abgehoben und überwiesen werden dürfen. Bei der Bank of Cyprus, die zwar nicht abgewickelt, aber umstrukturiert wird, gibt es indes die ersten Personalrochaden: Direktor Andreas Artemi trat gestern zurück – angeblich aus Protest über die Höhe der Zwangsabgabe. kapitalflucht Seite 15

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2013)


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