„Kleine“ zahlen Spaniens Bankenrettung mit

(c) REUTERS (SERGIO PEREZ)
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Bankkunden verlieren fast zehn Milliarden Euro, weil Spaniens Pleitebanken als Bedingung für die 100-Milliarden-Euro-Hilfe der EU Kleinanlegern als „sicher“ verkaufte „Vorzugsbeteiligungen“ abwerten müssen.

Madrid/Wien. Die (später abgeschwächte) Aussage des Euro-Gruppenchefs Jeroen Dijsselbloem, dass die Beteiligung privater Anleger in Zypern als Modell für andere Bankenrettungen in Europa dienen soll, hat einen realen Hintergrund: Spanien hat schon Ende vergangener Woche, im Windschatten der Zypern-Krise international fast unbemerkt, gut 200.000 Kunden wackelnder Banken per Dekret teilenteignet. Diese verlieren wesentlich mehr als die Einleger bei zypriotischen Banken: von dreißig bis mehr als 60 Prozent. Bei der Katastrophenbank Bankia sind de facto 100 Prozent weg.

Verloren haben die Spanier das Geld freilich nicht mit Spareinlagen, sondern mit einem komplizierten Finanzprodukt namens „Participationes preferentes“, kurz „Preferentes“ genannt, das ihnen als todsicherer Sparbuchersatz nach der Meinl-European-Land-Methode („sicher wie ein Sparbuch, aber viel höhere Zinsen“) verkauft worden ist.

Zugegriffen haben überwiegend Kleinsparer. Die meisten hatten keine Ahnung, dass sie damit nicht ein Sparprodukt gekauft, sondern sich mit einem Mittelding aus nachrangiger Anleihe und Vorzugsaktie am Grundkapital ihrer Bank beteiligt haben.

Bedingung für die ESM-Hilfe

Jetzt wissen sie es: Vergangenen Freitag hat die Regierung in Madrid die Nominalwerte der „Preferentes“ aller Banken, die Hilfe vom Rettungsschirm ESM bekommen, per Dekret herabgesetzt. 100 in die Catalunya Banc investierte Euro sind jetzt gerade noch 39 Euro wert, beim Finanzinstitut Banco Gallego sind es 50 Euro. 100 Euro „Preferentes“ an der aus der Fusion mehrerer Pleitesparkassen entstandenen Katastrophenbank Bankia stehen mit 62 Euro zu Buche. Bankia-„Preferentistas“ sind allerdings am ärmsten dran: Die verbliebenen 62 Prozent des Kapitals können nämlich nicht mehr gehandelt, sondern nur noch in Bankia-Aktien getauscht werden.

Und die sind praktisch wertlos: Das im Sommer 2011 zu 3,75 Euro emittierte Papier ist nur noch knapp mehr als einen Cent wert. Weil der Kurs nach spanischem Börsenrecht nicht unter einen Cent fallen kann, soll er nun per „Reverse Split“ (aus 100 Aktien wird eine) auf einen Euro hochgepeppt werden. Dann kann der Kursverfall munter weitergehen. Die Teilenteignung der „Preferentes“-Käufer ist Bedingung für die Auszahlung der 100-Mrd.-Euro-Kapitalhilfe, die Spaniens Banken vom Euro-Rettungsschirm ESM bekommen: Vor der Kapitalinjektion müssen sie nämlich noch umfangreiche Abschreibungen vornehmen. Und das schmälert eben auch das Kapital jener, die in der Regel Bankmiteigentümer geworden sind, ohne es zu verstehen.

Großanleger verweigerten Geld

Das sind nicht wenige: Spaniens Banken waren seit Beginn der Finanzkrise auf der Suche nach Kapitalgebern. Von Großanlegern, die den Zustand der Bankbranche einschätzen konnten, war kein Geld zu bekommen. Also wurden die „Preferentes“ für die Kleinen aktiviert. Die Stückelung beträgt im Normalfall 100 Euro, ist also durchaus „sparerkompatibel“. Beworben wurde das komplizierte Produkt mit „absoluter Sicherheit“ und der Aussicht auf mindestens sechs Prozent Zinsen. Die umfangreichen Emissionsprospekte, in denen aus rechtlichen Gründen alle Risken aufgelistet sind, hat wie üblich niemand gelesen.

Insgesamt haben die spanischen Banken (und drei Industriekonzerne) in den vergangenen fünf Jahren „Preferentes“ im Volumen von 32 Mrd. Euro an mehr als 700.000 Anleger verkauft. Von der Herabsetzung per Dekret sind knapp 300.000 Anleger betroffen, die zehn Mrd. Euro investiert haben. Die betroffenen Anleger steuern zur Bankenrettung in Spanien also rund sechs Mrd. Euro bei – mehr als die Großanleger bei zypriotischen Banken für die Pleite ihrer Institute abliefern müssen.

Anleger als „unsere Zyprioten“

Der Schaden für die Anleger ist in Wirklichkeit aber noch größer: Von den zehn Mrd. entfallen sieben Mrd. allein auf die Pleitebank Bankia. Und die sind (wegen des Umtausches der „Preferentes“ in Aktien) praktisch zur Gänze weg. Spanische Zeitungen nennen die „Preferentes“-Besitzer schon mitleidsvoll „unsere Zyprioten“.

Empörte „Preferentistas“ haben am Wochenende in der besonders betroffenen Hauptstadt Madrid (dort ist der Sitz der Bankia) gegen den umgekehrten „Bankraub per Dekret“ demonstriert. Dabei hat sich (siehe Bild) gezeigt: So sehen smarte Bankationäre im Normalfall tatsächlich nicht aus. Die „Preferentes“ der Pleitebanken sind vorwiegend an die Inhaber von langfristigen Festgeldkonten verkauft worden. Das war in Spanien der bevorzugte „Geldparkplatz“ für weniger vermögende Rentner. Und diese Gruppe findet sich auch in überwiegender Zahl unter den Geschädigten. Verbraucherschutzorganisationen sprechen bereits von einem groß angelegten Betrug, der die Kosten der Bankenrettung auf sozial schwache Bevölkerungsgruppen überwälze.

Die Gerichte beschäftigen wird die Sache jedenfalls noch lang: eine Sammelklage für mehr als 10.000 „Preferentes“-Zeichner ist bereits in Vorbereitung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2013)


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