Sparpolitik hat drastische Auswirkungen auf die Gesundheit

Sparpolitik Gesundheit
Sparpolitik Gesundheit(c) EPA (KATIA CHRISTODOULOU)
  • Drucken

Menschen in den von der Krise betroffenen Ländern gehen seltener zum Arzt, wie eine gestern veröffentlichte Studie zeigt.

London/Brüssel/Wien. Die Sparpolitik als Folge der Eurokrise hat in mehreren europäischen Ländern dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Das ist das Ergebnis einer Studie, die gestern in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde. Tiefe Haushaltseinschnitte und steigende Arbeitslosigkeit führen zu fallendem Einkommen, weswegen weniger Menschen zum Arzt gehen oder sich Medikamente kaufen, erläutern die Autoren.

Besonders betroffen sind demnach die Länder Griechenland, Portugal und Spanien, die im Gegenzug für milliardenschwere Hilfsgelder aus der EU drastische Austeritätsmaßnahmen hinnehmen mussten.

Depressionen und psychische Erkrankungen sind durch den gesunkenen Lebensstandard auf dem Vormarsch: So verzeichnete das griechische Gesundheitsministerium im ersten Halbjahr 2011 einen Anstieg der Selbstmordrate um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Unter den von der Krise stark betroffenen Personen hat sich die Anzahl depressiver Erkrankungen nach Ausbruch der Krise im Jahr 2008 verdoppelt. Ähnliches gilt für Spanien: Zwischen 2006 und 2010 stieg die Anzahl der Patienten mit psychischen Störungen wie Angstzuständen und Alkoholismus signifikant an.

Wegen sinkender Gehälter und der schlechteren Gesundheitsversorgung – in Griechenland wurden die Spitalsgelder im Zuge der Krise um bis zu 40 Prozent gekürzt, zudem gibt es einen eklatanten Mangel an medizinischem Personal – gehen die Menschen weniger oft zum Arzt: Als Gründe dafür nannten sie insbesondere lange Anfahr- und Wartezeiten.

Weil auch die Versorgung mit Präventivmaßnahmen stark abgenommen hat, kam es seit dem Jahr 2011 zu einem dramatischen Anstieg der HIV-infizierten Drogenabhängigen im Land: Während sich zwischen 2007 und 2010 zehn bis 15 Personen im Jahr infizierten, waren es 2011 schon 256 Personen und in den ersten acht Monaten 2012 sogar 314 Neuinfizierte.

Eigenanteil für Erstversorgung verdoppelt

In Spanien wurden aufgrund der auferlegten Sparmaßnahmen in den vergangenen Jahren viele Gesundheitseinrichtungen geschlossen, die Spitalsbetten stark reduziert. Pensionisten müssen zudem einen höheren Eigenanteil für ihre Medikamente leisten. Auch in Portugal überlegen sich Menschen mit knappen finanziellen Möglichkeiten den Arztbesuch genauer als zuvor: Seit Anfang 2012 ist der Eigenanteil für die medizinische Erstversorgung um mehr als das Doppelte gestiegen.

Der Leiter der Untersuchung, Martin Mc Kee, kritisierte in einer Stellungnahme die EU-Kommission, die den negativen Einfluss der Sparprogramme auf die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung leugnen würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

Mehr erfahren

Home

OECD-Ausblick: "Die Eurozone bleibt verwundbar"

Die Eurozone gefährdet laut OECD die Erholung der Weltwirtschaft. Es gebe "ein starkes Argument, die Geldpolitik noch weiter zu lockern".
Europa quaelt sich Krise
New Articles

Europa quält sich aus der Krise

Der europäische Weg ist holprig, schmerzhaft und chaotisch – aber erstmals gibt es Grund für ein bisschen Optimismus: Der Euro funktioniert. Eine Analyse.
Leitartikel

Europa steht heute besser da als am Anfang der Krise

Der Euro als Zahlungsmittel funktioniert, und die Neuverschuldung der Staaten sinkt. Europas Bürgern bringt die Krisenbekämpfung aber schmerzhafte Einschnitte.
Slowenien Alenka Bratušek
New Articles

Slowenien: Der nächste Pleitekandidat für den Euro-Rettungsschirm?

Der überwiegend staatliche Bankensektor sitzt auf einem Berg fauler Kredite. Kapitalbedarf 2013: eine Mrd. Euro.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.