Slowenien: Der nächste Pleitekandidat für den Euro-Rettungsschirm?

Slowenien Alenka Bratušek
Slowenien Alenka Bratušek(c) REUTERS (SRDJAN ZIVULOVIC)
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Der überwiegend staatliche Bankensektor sitzt auf einem Berg fauler Kredite. Kapitalbedarf 2013: eine Mrd. Euro.

Belgrad/Ljubljana. Das Milliardengrab Zypern scheint vorerst abgesichert. Doch mit Slowenien hat Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem bereits einen neuen Pleitekandidaten in der Riege von Europas Kleinstaaten mit anfälligem Bankensektor ins Gespräch gebracht. „Slowenien ist das nächste kleine Land, um das man sich sorgen muss“, ließ zu Wochenbeginn auch die „Washington Post“ die Warnglocken schrillen.

Erst eine Woche ist Sloweniens neue Regierungschefin, Alenka Bratušek, im Amt. Doch die schlechten Nachrichten reißen für die Finanzfachfrau nicht ab. Ihr Infrastrukturminister Igor Maher stolperte bereits nach wenigen Tagen über einen Bauskandal – und aus dem Amt. Noch mehr zerren indes die düsteren Bankrottszenarien der internationalen Presse am Gemüt der Premiernovizin. Slowenien sei ein „stabiles Land“, das mit Zypern nicht zu vergleichen sei, versichert die 42-Jährige genervt: „Slowenien kann seine Probleme selbst lösen.“

Damit, dass Zypern mit Slowenien nicht zu vergleichen sei, hat Bratušek wohl recht. Letzteres muss sich hingegen erst erweisen. An der Lösung der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise des lange sehr stabilen Landes sind in den vergangenen eineinhalb Jahren immerhin schon zwei Regierungen vorzeitig gescheitert.

Zinsen für Anleihen schießen in die Höhe

Das Phänomen von Sparern, die ihre Konten hektisch zu plündern suchen, ist im beschaulichen Ljubljana zwar noch nicht zu sichten. Aber dennoch wird das Land, das bis 2008 noch als EU-Musterknabe gegolten hat, als nächster Wackelkandidat in der kriselnden Eurozone gehandelt, und das nicht erst seit gestern. Der Grund: Der überwiegend staatliche Bankensektor sitzt auf einem Berg fauler Kredite. Schon im September hat der damalige Premier, Janez Janša, das Land quasi amtlich krankgeschrieben und von einem drohenden Bankrott gesprochen – zum Entsetzen der Märkte, der slowenischen Wirtschaft und der Ökonomen.

Auf sieben Milliarden Euro wird mittlerweile die Höhe der ausfallgefährdeten Kredite geschätzt – knapp ein Fünftel des slowenischen Sozialprodukts. Laut dem Internationalen Währungsfonds benötigen die maroden Banken des Landes allein in diesem Jahr eine Milliarde Euro an frischem Kapital – und dieses muss sich das Land angesichts des ausufernden Defizits von drei Milliarden Euro auf den internationalen Finanzmärkten beschaffen. Was aber immer schwieriger wird, denn die Zinsen für zehnjährige Anleihen stiegen zuletzt rasant an, am Mittwoch näherten sie sich sogar dem kritischen Wert von sieben Prozent.

„Slowenien läuft die Zeit davon“

Die Staatsverschuldung, die 2008 noch bei 30 Prozent des BIPs lag, dürfte sich heuer der 60-Prozent-Marke nähern – und könnte 2014 gar die 70-Prozent-Grenze übersteigen. Die seit 2009 anhaltende Rezession verschärft die Finanzprobleme der Alpenrepublik.

Ein Großteil der Probleme der Bankenkrise ist hausgemacht. Viel zu eng ist der Staat mit dem Finanzsektor verbandelt. Und viel zu lange konnten nicht nur Staatsunternehmen, sondern auch windige Geschäftsleute mit den „richtigen“ politischen Kontakten in den Genuss großzügiger Kredite kommen.

Trotz der zunehmenden Liquiditätsprobleme der drei Großbanken weist Nationalbankchef Marko Kranjec alle Vergleiche mit Zypern weit zurück. Während dort die Bilanzsumme der Banken das Achtfache des Bruttosozialprodukts betrage, liege diese in Slowenien nur bei 135 Prozent: „Ich bin sicher, dass wir nicht in dieselbe Lage wie Zypern kommen.“

Nun gilt zwar Slowenien keineswegs als Steueroase für ausländische Anleger. Auch ist der Finanzbedarf kaum mit dem von Zypern zu vergleichen. Doch ohne den raschen Beginn einer Sanierung des maroden Bankensektors könnte der Alpenstaat nach Ansicht von Analysten spätestens in der zweiten Jahreshälfte zum bitteren Gang unter den Eurorettungsschirm gezwungen sein. Für die neue Regierung sei es noch „sehr vage“, wie sie die angekündigte Bankenstabilisierung zu realisieren hoffe, konstatiert Petra Lesjak von „KD Funds“ in Ljubljana, in der „Financial Times“: „Slowenien ist nicht Zypern. Aber nach Jahren der Verzögerungen und des Schwankens läuft die Zeit davon.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

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