Zypern: Lange Schlangen, aber kein Chaos

CYPRUS ECONOMY FINANCIAL CRISIS
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Die Banken haben nach zwölf Tagen erstmals wieder aufgesperrt. Für Firmen bedeuten die Kapitalbeschränkungen große Schwierigkeiten.

Nikosia. Das erwartete Chaos blieb aus. Nach zwölf Tagen sperrten die zyprischen Banken gestern um 12 Uhr Mittag wieder auf – doch vor den Filialen herrschte lediglich „kontrolliertes Gedränge“. Die Zyprioten, oft ältere Semester, die über keine Konto- oder Kreditkarten verfügen, haben sich geduldig in die Schlangen eingereiht. Beschimpft wurde höchstens der eine oder andere aufdringliche internationale Journalist. Auch am Freitag, als die Banken erstmals wieder zur regulären Zeit in der Früh öffneten, blieb der Andrang aus.

In der Nacht auf Donnerstag ist in der zypriotischen Zentralbank noch ein spezielles Geschenk der (EZB) eingetroffen: eine große Menge Bargeld, dem Vernehmen nach fünf Milliarden Euro. Die Reserven lagerten bei der deutschen Bundesbank. Vorerst darf jeder Zyprer allerdings nur 300 Euro pro Tag abheben, egal ob vom Bankschalter oder vom Bankomaten. Die am Mittwochabend gerade rechtzeitig verabschiedeten Beschränkungen im Kapitalverkehr sind streng. Die Einlösung von Schecks ist untersagt, Reisende dürfen höchstens 1000 Euro in bar mit sich führen. Zyperns Außenminister Ioannis Kasoulides rechnet damit, dass die Beschränkungen in „etwa einem Monat“ aufgehoben werden.

Garantie für Pensionskassen?

Auch die zypriotischen Firmen stehen vor großen Hürden in der täglichen Geschäftsgebarung. Lediglich bis zu 5000 Euro dürfen unter Vorweisen der entsprechenden Papiere abgehoben werden. Alles, was darüber liegt, muss eine extra eingerichtete Kommission bewilligen. Die Wirtschaft ist in den vergangenen Tagen aufgrund der geschlossenen Banken fast völlig zum Erliegen gekommen. Container stapeln sich in Zyperns Häfen, viele Geschäfte sind geschlossen geblieben. Wichtig für die Angestellten: Geldabhebungen für Lohnzahlungen sind gestattet, sofern die entsprechenden Papiere vorgelegt werden. Spezielle Vorsorge wurde auch für zypriotische Studenten im Ausland getroffen, die ohne die Überweisungen ihrer Familien auf dem Trockenen saßen. Das Einfrieren und der Haircut von Guthaben über 100.000 Euro bei der Laiki-Bank und der Bank of Cyprus haben das Land mit einem Schlag ärmer gemacht. Die staatlichen Strom-, Telekom- und Hafengesellschaften von Zypern verlieren zusammen etwa 185 Millionen Euro, die Kirche um die 100Millionen, viele Gemeinden stehen vor der Pleite und müssen längst geplante Projekte auf Eis legen. Nikos Anastasiadis, der Präsident Zyperns, soll einen Gesetzesentwurf vorbereiten, nach dem zumindest die Pensionskassen staatlich garantiert werden sollen.

Die dramatische Rettungsaktion hatte auch starke politische Verwerfungen zur Folge. Das Vertrauen zwischen der politischen Kaste und Zentralbankchef Panos Demetriades ist zerstört. Dem Vernehmen nach sucht das Parlament eine Möglichkeit, ihn abzusetzen.

Juncker vs. Dijsselbloem

Die Beteiligung von Kontoinhabern an der Bankenrettung sorgt im gesamten Währungsraum für Diskussionen. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte zuerst in einem Interview gesagt, Zypern sei ein Modell für andere angeschlagene Länder. Später erklärte er dann zwar, das Land sei ein Einzelfall. Dennoch sah sich sein Vorgänger, der luxemburgische Ministerpräsident, Jean-Claude Juncker, zu einer Reaktion veranlasst. Man dürfe nicht den Eindruck vermitteln, als ob Spareinlagen in Europa nicht sicher seien. Dies würde dem Kontinent als Finanzplatz schaden. „Es stört mich, wenn man so tut, als ob die Zypern-Rettung als Blaupause für zukünftige Rettungspläne gilt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2013)

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