Sinn spendet Lob für Euro-Gruppe

Hans-Werner Sinn
Hans-Werner Sinn REUTERS
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Der Leiter des Münchener Ifo-Instituts verteidigt Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem gegen Kritik: Der Haircut für Zyperns Kontoinhaber war richtig und notwendig.

Brüssel. Der Zeitpunkt war purer Zufall, doch er hätte nicht günstiger sein können: Just an dem Tag, an dem in Zypern die Banken zum ersten Mal wieder offen hatten, weilte Hans-Werner Sinn in Brüssel, um im altehrwürdigen flämischen Club De Warande einen Vortrag über „Gott, die Welt und die Eurozone“ zu halten – mit besonderem Augenmerk auf Letzteres.

Dass der streitbare Leiter des Münchener Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo kein Freund der europäischen Großzügigkeit gegenüber dem krisengeschüttelten Südrand der EU ist, ist sattsam bekannt – schließlich war es Sinn, der darauf hingewiesen hat, dass Deutschland im Rahmen des Target-Zahlungssystems der Europäischen Zentralbank bereits mit dreistelligen Milliardenbeträgen in Südeuropa engagiert ist. Auch dass der Volkswirt Griechenland den raschestmöglichen Austritt aus der Eurozone empfiehlt, ist kein Novum. Doch wie steht es um die überschuldete Mittelmeerinsel, die soeben mit einem internationalen Kredit von zehn Milliarden Euro gerettet worden ist?

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„Zypern hat nur die Banken“

„Bei Zypern tue ich mir momentan etwas schwer“, gesteht Sinn einer kleinen Journalistenrunde vor seinem Vortrag am Donnerstagabend. „Einerseits kenne ich die Kennziffern nicht genau, und andererseits hat Zypern ja nur das Bankensystem. Selbst der Tourismus ist kaum konkurrenzfähig“ – anders als in Griechenland.

Mit der Weise, wie das Hilfsprogramm konzipiert worden ist, kann der Ifo-Chef allerdings sehr gut leben. Durch die Beteiligung der Inhaber großer zypriotischer Bankkonten sei „der verhängnisvolle Trend zur Sozialisierung der Schulden gebrochen“ worden. Und zu verdanken habe man das ausgerechnet jenem Mann, auf den es seit Tagen aus diversen Hauptstädten Kritik hagelt: Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem.

Seit der Niederländer in einem Interview gesagt hat, die Abwicklung zypriotischer Banken könnte Vorbildcharakter haben, ist die Union in zwei Lager gespalten: Während die einen (wie beispielsweise Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Donnerstag) Dijsselbloem beipflichten, betonen die anderen, dass Zypern ein europäischer Einzelfall sei, der sich nicht wiederholen werde – bzw. dürfe, denn ansonsten würde ein europaweiter Bank Run drohen. Oder, um mit den Worten von Dijsselbloems Vorgänger, Jean-Claude Juncker, zu sprechen: „Es gibt keine Blaupause.“

„Geld wächst nicht auf Bäumen“

Sinn gehört eindeutig zum ersten Lager. „Dijsselbloem hat es außerordentlich gut gemacht. Er hat den Kapitalmärkten signalisiert, dass Geld nicht auf den Bäumen wächst.“ Soll heißen: Ein Fall wie Irland, wo 2008 die Steuerzahler für die Finanzierungslücken der irischen Banken haften mussten, dürfe sich nicht mehr wiederholen. „Denn sonst schaffen wir einen Brandkanal von den Banken Südeuropas zu den noch gesunden Ländern der Union.“ Schließlich hätten die Finanzinstitute in den Krisenländern – und dazu zählt Sinn auch Italien – Schulden von 9200 Milliarden Euro angehäuft. „Man kann doch nicht fordern, dass die Steuerzahler das alles übernehmen.“

Ist also Italien der nächste Patient, dem die zypriotische Rosskur verschrieben werden sollte? Nicht nach Ansicht des Ifo-Direktors. „Die Italiener haben das Bankensystem erfunden und kommen damit einigermaßen klar.“

Die Kritik, dass Zyperns Bankkunden unverdienterweise zum Handkuss kommen, will Sinn nicht stehen lassen: „Wer nicht weiß, dass ein Sparer der Gläubiger seiner Bank ist, der tut mir leid.“ Auch dass bei den zwei größten Banken der Insel Guthaben über 100.000Euro nun geschoren werden, sieht der Ifo-Chef entspannt: „Das waren reine Investitionen im Sinne einer Portfolio-Optimierung.“

„Eine Insel mit vielen Booten“

Damit diese Portfolio-Investitionen nun nicht Reißaus nehmen, hat Nikosia strenge Kontrollen des Kapitalverkehrs eingeführt, die vorerst bis nächste Woche gelten sollen. Sinn geht allerdings davon aus, dass die Kontrollen noch lange aufrechterhalten werden müssen – sonst würden „russische Oligarchen die EZB grenzenlos ausnützen“. Daran, dass diese Kontrollen wasserdicht sein werden, hat der Ökonom allerdings so seine Zweifel: „Wissen Sie, Zypern ist eine Insel mit vielen Booten.“

Auf einen Blick

Hans-Werner Sinn, 1948 in Brake in Westfalen geboren, gilt als einer der bekanntesten Volkswirte Deutschlands. Er ist Professor für Nationalökonomie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und hatte Gastprofessuren unter anderem in Princeton, Stanford und an der London School of Economics. Seit 1999 leitet Sinn das Münchener Ifo-Institut, das für seinen gleichnamigen Konjunkturindex bekannt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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