Die Deutschen lernen das Wort „Überschuss“

Wolfgang Schäuble
Wolfgang Schäuble(c) REUTERS (VINCENT KESSLER)
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Der deutsche Finanzrahmen bis 2017 ist weit ehrgeiziger als der österreichische: Ab heuer soll es kein Defizit mehr geben. Strukturell lagen die öffentlichen Haushalte schon im Vorjahr in den schwarzen Zahlen.

Berlin. Wolfgang Schäuble kann zufrieden sein. Wenn eintrifft, was seine Beamten errechnet haben, sieht der deutsche Finanzminister (oder sein Nachfolger nach der Bundestagswahl im September) recht komfortablen Zeiten entgegen. Berlin meldete am Mittwoch die frohe Botschaft an Brüssel, dass die öffentlichen Haushalte dauerhaft zu Überschüssen zurückkehren.

Nach der Projektion bis 2017 ist heuer das letzte Jahr, in dem der Gesamtstaat noch ein Defizit einfährt. Es ist auch nur ein halbes Prozent der Wirtschaftsleistung, also weit unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent. In den beiden kommenden Jahren soll der Haushalt dann ausgeglichen sein. Ab 2016 will der Staat Überschüsse erzielen. Noch besser sieht es für den strukturellen Saldo aus. Rechnet man die Folgen der konjunkturellen Ausschläge heraus, waren die Zahlen schon im Vorjahr schwarz, und dabei soll es auch bleiben. Das ist ein weit ehrgeizigerer Plan als in Österreich, wo Schäubles Amtskollegin Maria Fekter auch noch für 2017 mit einem strukturellen Defizit plant, trotz optimistischerer Prognosen für das Wachstum (siehe Grafik).

Wie machen das die Deutschen? Sie sparen gar nicht so eisern, wie das Image von Kanzlerin Merkel in Südeuropa vermuten ließe. Vielmehr ernten sie die Früchte weitsichtiger Maßnahmen im vergangenen Jahrzehnt, zu dessen Beginn Deutschland noch als der „kranke Mann Europas“ galt.

Dann ließen die Reformen der Agenda 2010 die Zahl der Arbeitslosen stark sinken, und moderate Tarifabschlüsse stärkten die Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden Industrie. Zwar stieg die Staatsschuldenquote in der Krise durch Hilfen für angeschlagene Banken und Konjunkturpakete auf über 80 Prozent. Aber die gute Wirtschaftsentwicklung seit 2010 lässt die Einnahmen sprudeln und die Defizite dahinschmelzen.

Mehr privater Konsum

Damit es so weitergeht, muss sich freilich eine wichtige Annahme erfüllen: dass sich die Situation in den Euro-Krisenländern allmählich entspannt. Das deutsche „Geschäftsmodell“ könnte sich dabei ein wenig ändern. Das verrät ein Blick auf eine Studie, die das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) parallel zum Fiskus erstellt hat. Die Autoren kommen zu ganz ähnlichen Zahlen – und erklären ihre Annahmen.

Die Deutschen glauben sich demnach nun leisten zu können, was von außen immer wieder gefordert wurde: großzügigere Tarifabschlüsse und damit einen stärkeren privaten Konsum. Wenn das Wachstum mehr aus der Binnenwirtschaft als aus dem Export kommt, kann es dem Fiskus zumindest kurzfristig nur recht sein: Er kassiert mehr, vor allem über seine Haupteinnahmequelle, die Mehrwertsteuer, aber auch über die kalte Progression.

Freilich setzen steigende Lohnkosten die hart errungene Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel. Doch wenn das Kalkül aufgeht, bleibt immer noch ein Vorsprung übrig – zumal Deutschland davon profitiert, dass der Euro schwächer ist, als es zur eigenen Wirtschaftskraft passt. Dazu kommen die von der EZB verordneten Niedrigstzinsen. Sie erleichtern dem Staat den Schuldendienst und laden die Unternehmen dazu ein, endlich Investitionen nachzuholen – was Wachstum und Steuereinnahmen zusätzlich treiben sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2013)

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