Bankpleiten: Aktionäre und Gläubiger haften vor Steuerzahlern

Bankenpleiten Anleger sollen Steuerzahler
Bankenpleiten Anleger sollen Steuerzahler(c) REUTERS (� Francois Lenoir / Reuters)
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Nach stundenlangen Verhandlungen haben sich die EU-Finanzminister auf neue Haftungsregeln für marode Großbanken geeinigt. In Zukunft sollen diese nicht mehr vorrangig vom Steuerzahler gerettet werden.

Marode Großbanken in Europa werden künftig in erster Linie auf Kosten ihrer Eigner und Gläubiger und nicht länger mehr nur vom Steuerzahler gerettet. Die EU-Finanzminister haben sich in der Nacht zu Donnerstag in Brüssel auf Haftungsregeln für Banken geeinigt. Demnach soll der Staat erst an letzter Stelle Löcher in Bankbilanzen stopfen. Zuvor sollen Aktionäre, Bankanleihebesitzer und Bankkunden mit Guthaben über 100.000 Euro Opfer bringen. Die Mitgliedstaaten können davon aber Ausnahmen machen, wenn die Verlustbeteiligung gravierende Folgen hätte.

Die Mitgliedstaaten müssen über das Gesetz jetzt noch mit dem Europäischen Parlament verhandeln. Es gibt den nationalen Abwicklungsbehörden weitreichende Eingriffsrechte in strauchelnde Geldhäuser. Sie können kleinere Banken künftig einfacher und nach europaweit einheitlichen Regeln schließen. Die Haftung von Eigentümern und Gläubigern, das sogenannte Bail-in, greift erst bei systemrelevanten Großbanken, die sanierungsfähig und stark mit anderen Banken verstrickt sind. Ihre Pleite könnte das gesamte Finanzsystem ins Wanken bringen.

Drittel der EU-Wirtschaftsleistung für Banken

Aus Angst vor fatalen Kettenreaktionen hatten die EU-Staaten in der Bankenkrise 2008 nicht gewagt, Geldhäuser pleitegehen zu lassen. Binnen drei Jahren stützten sie die Banken mit einem Drittel der gesamten EU-Wirtschaftsleistung, größtenteils mit inzwischen abgelösten Garantien. Der irische Staat ging darüber fast pleite. In großem Stil mussten Bankinvestoren erstmals bei der Rettung Zyperns finanziell bluten.

Das Abwicklungsgesetz markiert nun eine Wende - Ziel ist es, die Steuerzahler von milliardenschweren Rettungsaktionen zu verschonen. Künftig können auch Privatkunden mit Ersparnissen über 100.000 Euro Geld verlieren. Beträge bis zu dieser Grenze bleiben dagegen gesetzlich garantiert.

Fekter gegen nationale Ausnahmen

Deutschland, die Niederlande und auch Österreich hatten in den Verhandlungen auf eine weitreichende Gläubigerbeteiligung und möglichst einheitliche Regeln gepocht. Es sei wesentlich ein gesamteuropäisches System zu haben und nicht eines, wo die Staaten individuelle Regeln haben, hatte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) im Vorfeld der Verhandlungen gefordert und sich gegen nationale Ausnahmen ausgesprochen: "Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Flexibilisierung gering sein soll und dass wir nicht anschließend darüber diskutieren, was überhaupt in den Regularien drinsteht," so die Finanzministerin.

Frankreich dagegen kämpfte für nationalen Spielraum, um im Krisenfall doch lieber früher als später wieder mit öffentlichen Geldern eingreifen zu können. Wichtig ist nach den Worten des französischen Finanzministers Pierre Moscovici, dass auch der Euro-Rettungsfonds ESM als Finanzierungsquelle ausdrücklich eingeschlossen ist.

Weiterer Schritt zur Bankenunion

Das Gesetz zur Bankenabwicklung ist ein wichtiges Element der Bankenunion, die in der Eurozone aufgebaut werden soll. Die EU-Staaten hatten sich vorgenommen, die wesentlichen Bausteine dazu bis Ende Juni auf den Weg zu bringen. Abgesegnet ist bereits die zentrale Bankenaufsicht für die Eurozone unter Führung der Europäischen Zentralbank. Mit der Banken-Abwicklung steht eine weitere Säule. Die Reform der Einlagensicherung steht noch aus.

Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag werden die Staats- und Regierungschefs zu weiteren Schritten drängen. In der kommenden Woche will die EU-Kommission einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine engere Verzahnung der bisher nur nationalen, von den Banken finanzierten Abwicklungsfonds vorsieht. Über diesen Plan wurde schon im Vorfeld heftig gestritten. Deutschland sperrt sich gegen einen zentralen europäischen Fonds, bei dem etwa deutsche Sparkassen für eine französische Großbank einzustehen hätten. Die Abwicklungsvorschriften seien nicht nur graue Theorie, sagte ein EU-Diplomat. "Jeder weiß, es gibt ein schwarzes Loch in Europas Bankensektor."

Rettungs-Summe "aus dem Arsch gezogen"

Wenn es noch eines Beweises bedürfte, wie dringend Regeln zur Bankeninsolvenz sind, liefert diesen die Veröffentlichung skandalöser Äußerungen von Bankern der maroden irischen Anglo Irish Bank, die mit 30 Milliarden Euro öffentlicher Gelder gerettet wurde. Zur Frage, warum er der Zentralbank eine viel niedrigere Zahl von sieben Milliarden Euro nannte, sagte der ehemalige Kapitalmarktchef laut Abschrift eines Telefonmitschnitts von 2008, bei einer realistischen Darstellung hätte es womöglich von Anfang an keine Rettungsaktion gegeben. Die Zahl habe er sich "aus dem Arsch" gezogen.

(APA/Reuters)

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