Marode Banken: „Roter Knopf“ für EU-Kommission

Marode Banken.
Marode Banken.(c) REUTERS (KAI PFAFFENBACH)
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Brüssel will über die Abwicklung überschuldeter Banken entscheiden und sieht, anders als Berlin, keinen Bedarf für eine Änderung der EU-Verträge.

Brüssel. Das Gebäude der europäischen Bankenunion nimmt schön langsam Gestalt an. Nachdem sich die EU-Finanzminister Ende Juni auf die Spielregeln einer Bankenabwicklung geeinigt haben, stellte die Kommission am Mittwoch ihre Blaupause für eine Abwicklungsbehörde vor – sie soll künftig dafür verantwortlich sein, im Krisenfall die Abwicklung eines überschuldeten Geldhauses anzuordnen und zu überwachen.

Mit der Bankenunion will die EU verhindern, dass marode Banken die Budgets ihrer Heimatländer sprengen, wie das beispielsweise in Irland der Fall war. Der Mechanismus, dem alle Länder der Eurozone sowie Freiwillige aus der Rest-EU angehören sollen, besteht aus drei Elementen: Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung. Die erste Schraube ist bereits justiert: Ab Mitte 2014 soll eine bei der EZB angesiedelte Agentur rund 180 großen Instituten direkt auf die Finger schauen. Über die vor zwei Wochen von den Finanzministern fixierte Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger einer Bank an ihrer Liquidation wird derzeit zwischen Rat, Kommission und Europaparlament verhandelt – geht alles nach Plan, ist dieser Teil des Regelwerks im Herbst unterschriftsreif. Bleibt also der institutionelle Überbau.

Der unter der Ägide von Binnenmarktkommissar Michel Barnier erstellte Entwurf sieht die Schaffung von zwei Kammern mit strikter Aufgabenteilung vor: ein Ausschuss, dem Vertreter von Kommission, EZB und nationalen Behörden angehören und der die Abwicklung einer Bank vorbereitet und überwacht sowie die EU-Kommission selbst, in deren Ermessen es liegen soll, über Zeitpunkt, Umfang und Bedarf der Abwicklung zu entscheiden – „auf den roten Knopf zu drücken“, wie es Barnier formulierte.

Diese auf den ersten Blick etwas umständliche Konstruktion dient dazu, Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Deutschland beispielsweise beharrt auf dem Standpunkt, dass für die Errichtung einer gemeinsamen Abwicklungsbehörde die EU-Verträge geändert werden müssten. Nach der Lesart der Befürworter, die sich auf den Artikel114 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU berufen, ist eine Vertragsänderung nicht notwendig – vorausgesetzt, die Entscheidungsbefugnis bleibt bei einem Organ der Union und wird nicht an eine neu geschaffene Behörde übertragen. Deswegen muss die Kommission den von Barnier erwähnten roten Knopf drücken, und deswegen steht der Kommission nicht eine „Agentur“, sondern nur ein „Ausschuss“ bei – auch wenn er nach den Plänen rund 300 Köpfe umfassen soll. Ob sich Berlin mit dieser Lösung anfreunden kann, ist fraglich – die Kommission sei dabei, ihre Kompetenzen zu überschreiten, warnte ein Sprecher der deutschen Regierung am Nachmittag.

60 Milliarden schwerer Fonds

Woher soll das Geld für die Abwicklung einer Bank kommen? Nach den Vorstellungen der Kommission aus einem einheitlichen, 60 Milliarden Euro schweren Fonds, der aus den Beiträgen aller Institute der Bankenunion gespeist wird. In diesem Punkt geht Brüssel weiter als die Finanzminister, die sich lediglich auf verpflichtende nationale Abwicklungsfonds verständigt haben. Auch diesbezüglich dürfte das letzte Wort also noch nicht gesprochen worden sein.

Weiterer strittiger Punkt ist die vorgesehene Zwangsverpflichtung aller Banken – die unter Umständen dazu führen könnte, dass eine regionale Sparkasse mit ihren Beiträgen einer international tätigen, spekulationsfreudigen Großbank aushelfen muss. Um diese Schieflage zu minimieren, will Barnier die Beiträge nach dem unternehmerischen Risikoprofil der Geldhäuser staffeln. Nach welchen Kriterien, ist allerdings noch offen – ebenso wie die Frage, was passiert, wenn eine Bank gerettet werden muss, bevor der Abwicklungsfonds aufgefüllt ist (was mehrere Jahre dauern dürfte). Barnier räumte gestern ein, dass in der Zwischenzeit die nationalen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden könnten – „allerdings muss die Regierung des betroffenen Landes zustimmen“.

Die Kommission will die gemeinsame Abwicklungsbehörde noch vor den Europawahlen 2014 unter Dach und Fach bringen – ein ambitioniertes Unterfangen angesichts der Komplexität der Materie. Deutlich weniger Ambitionen scheint man mittlerweile bei der Einlagensicherung zu entwickeln. Beharrte Brüssel zunächst darauf, dass die europäischen Spareinlagen zentral abgesichert werden müssen, ist in einem gestern verteilten Positionspapier lediglich von einer „Einigung auf nationaler Ebene“ die Rede. Fast scheint es, als ob die Kommission Deutschlands Geduld nicht überstrapazieren wollte. Die Überzeugungsarbeit punkto Abwicklung dürfte ohnehin schwierig genug werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2013)


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