Griechenland: 100 Millionen Euro als Sparanreiz für Athen

Millionen Euro Sparanreiz
Millionen Euro Sparanreiz(c) EPA (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Deutschlands Finanzminister Schäuble besucht heute zum ersten Mal seit Beginn der Krise Athen. Massive Proteste sind angekündigt, doch Berlin will dem Krisenland unter die Arme greifen.

Athen/Wien. Wenn Wolfgang Schäuble am heutigen Donnerstag erstmals seit Ausbruch der Schuldenkrise griechischen Boden betritt, will er nicht nur der strenge Deutsche sein, der mit erhobenem Zeigefinger die korrekte Einhaltung der Sparprogramme fordert. Stattdessen trotzt der mächtigste Finanzminister Europas den angekündigten Massenprotesten gegen seinen Besuch mit guten Nachrichten: Schäuble will der Regierung in Athen finanzielle Hilfen durch Deutschlands staatliche Förderbank KfW anbieten, wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Finanzkreise berichtete.

100 Millionen Euro sollen in den Aufbau eines Förderfonds für kleine und mittlere Unternehmen fließen, weil die griechischen Banken die Wirtschaft derzeit nicht mit ausreichend Krediten versorgen können. Auch Gelder aus den Strukturmitteln der EU und der Europäischen Investitionsbank (EIB) sollen den Fonds speisen.

Dass Schäuble in Griechenland deshalb zum Volksliebling avanciert, darf bezweifelt werden. Denn der Minister knüpft die Mittel für den Wachstumsfonds an die Bedingung, dass Athen die Einhaltung der Austeritätsmaßnahmen garantiert – und die haben es in sich: Erst gestern Abend ließ die Regierung unter Antonis Samaras über eine Gesetzesvorlage abstimmen, in der massive Personaleinsparungen vor allem auf Gemeindeebene vorgesehen sind und mit der tausende öffentlich Beschäftigte in den Status einer achtmonatigen „Verfügbarkeit“ übergeführt werden. An deren Ende wird in vielen Fällen die Entlassung stehen – bisher ein Tabu für griechische Politiker.

15.000 Kündigungen bis 2014

Als Belohnung für die Verabschiedung der Gesetzesvorlage aber winkt die Auszahlung der nächsten Kredittranche der internationalen Geldgeber in Höhe von vier Milliarden Euro. Betroffen sind tausende Schulwarte, die Gemeindepolizei und die Lehrer vieler Fachrichtungen an technischen Schulen. Zwar heißt es, die Gemeindepolizisten würden zum Großteil in die Bundespolizei integriert, technische Lehrer zur Berufsfortbildung oder im Gesundheitsbereich eingesetzt und die Schulwarte könnten Pensionszeiten nachkaufen. Scheinbar ist das Paket sozial abgefedert. Doch die Vorgaben sind mit der Troika der internationalen Geldgeber aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) klar fixiert: Bis Ende 2014 müssen 25.000 öffentliche Angestellte in die Verfügbarkeit übergeleitet worden sein. 15.000 davon müssen nach entsprechender Überprüfung entlassen worden sein – 4000 noch im Jahr 2013, 11.000 im Jahr 2014. Welche Gruppe schließlich zum Handkuss kommt, hängt vom Zugriff der Interessenvertreter auf die Abgeordneten der Parteien ab. Die Regierung betont, es gehe in erster Linie nicht um Entlassungen, sondern um die Umstrukturierung des Staatsapparates. Tatsächlich macht der Anteil der zu Entlassenden nur 2,5 Prozent der etwa 600.000 öffentlichen Bediensteten aus.

Dennoch war es wohl kein Zufall, dass Samaras am gestrigen Mittwoch – nur wenige Stunden vor der mit Spannung erwarteten Abstimmung – eine massive Steuersenkung bekannt gab, um die Gemüter zu besänftigen. Der Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie wird ab 1. August von 23 auf 13 Prozent sinken. So soll dem wichtigen Tourismussektor ein Schub verpasst werden.

Zehn-Milliarden-Euro-Finanzloch?

Gleichzeitig aber gab es gestern die nächste Hiobsbotschaft für die leidgeprüfte Bevölkerung: Wie die „Süddeutsche Zeitung“ nach Informationen eines hohen Kommissionsbeamten berichtete, klafft im griechischen Hilfsprogramm eine neue Finanzierungslücke von zehn Milliarden Euro. Die Eurominister müssten demnach schon kurz nach der Sommerpause das weitere Vorgehen festlegen. Zwar dementierten sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Bundesregierung den Bericht. Jedoch hatte auch der IWF schon vor Wochen Hochrechnungen angestellt, wonach sich im Jahr 2014 zusätzlicher Hilfsbedarf für Griechenland ergeben soll.

Derlei Spekulationen geben der inoffiziellen Debatte um einen weiteren Schuldenschnitt für den griechischen Dauerpatienten neuen Auftrieb, der diesmal allerdings die öffentlichen Gläubiger treffen würde.

Davon wiederum wollen weder Schäuble noch Kanzlerin Angela Merkel etwas wissen – jedenfalls nicht vor der Bundestagswahl am 22. September. „Nachbesserungen“ im Hilfsprogramm seien aber möglich, hieß es knapp aus Berlin – vorausgesetzt, die Vorgaben der Troika würden realisiert.

Aiginger-Interview Seite17

Auf einen Blick

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellt Griechenland bis zu 100 Millionen Euro für einen Wachstumsfonds in Aussicht, knüpft dies aber an Bedingungen. Griechenland muss zuvor weitere Maßnahmen umsetzen. Schäuble reist am heutigen Donnerstag auf Einladung der griechischen Seite für eine Kurzvisite nach Athen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2013)

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