Die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa ist keineswegs nur konjunkturell bedingt. Die Weichen wurden schon lang vor der Lehman-Pleite gestellt.
Wien. Fünf Jahre nach Lehman ist die weltweite Situation auf dem Arbeitsmarkt sehr unterschiedlich. Während sich Schwellen- und Entwicklungsländer schneller von der Krise erholen, geht es mit den entwickelten Volkswirtschaften, wenn überhaupt, dann deutlich langsamer bergauf.
Global gesehen wird sich nach Schätzungen der International Labour Organisation (ILO) die Zahl der Arbeitslosen von derzeit rund 200 Millionen bis 2015 auf 208 Millionen erhöhen. Diese Entwicklung hat nicht nur konjunkturelle, sondern auch strukturelle Gründe, wie zum Beispiel den demografischen Wandel oder die Veränderung des Erwerbsverhaltens. Dazu kommen Unterschiede in der nationalen Arbeitsmarktpolitik, durch die meist schon Jahrzehnte vor Lehman die Weichen für die jetzige Situation gestellt wurden.
Kündigungsschutz bringt mehr Arbeitslose
Ein von Ökonomen immer wieder angeführtes Beispiel dafür, warum Länder wie Griechenland und Spanien nicht flexibel auf die Rezession reagieren konnten, ist der starke Kündigungsschutz für unbefristet Beschäftigte. Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) spricht von einer „Zweiteilung des Arbeitsmarktes“. Auf der einen Seite stand vor den Reformen ein unkündbares Heer älterer Beschäftigter, auf der anderen Seite Jüngere in befristeten, leicht auflösbaren Beschäftigungsverhältnissen.
Nicht zuletzt deshalb sei die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland derartig hoch. In Ländern, die besser durch die Krise gekommen sind, wie Österreich, gab es von vornherein einen lockereren Kündigungsschutz. Als Kompensation gebe es aber ein engmaschiges soziales Fangnetz und eine Fülle von Weiterbildungsmöglichkeiten, die dafür sorgen, dass Arbeitslose „fit für den Arbeitsmarkt bleiben“, sagt Helmut Mahringer vom Wifo. Diese Kombination aus Flexibilität und Sicherheit habe es in Österreich ermöglicht, dass Betriebe im Krisenjahr 2009 ohne Probleme auf Kurzarbeit umgestellt hätten. „Das hat den Betrieben die Sicherheit gegeben, dass sie das Risiko für die Beschäftigten nicht allein tragen müssen“, sagt Mahringer.
Es sei sehr vorteilhaft gewesen, dass die Arbeitgeber in Deutschland und Österreich mit dem Prinzip Kurzarbeit bereits vor der Krise vertraut waren. Geglückt sei das Experiment auch deshalb, weil der Konjunkturmotor in diesen Ländern 2010/2011 wieder angesprungen sei. 2012/13 hat sich die Situation aber wieder eingetrübt, und das spürt man auch auf dem Arbeitsmarkt. Im zweiten Quartal stieg die Arbeitslosenrate in Österreich nach Angaben der Statistik Austria auf 4,5 Prozent. Das ist zwar die niedrigste Arbeitslosenrate der EU, für nationale Verhältnisse aber ein hoher Wert.
USA nicht mit Europa zu vergleichen
In den USA hingegen sei die Krise ausschließlich eine konjunkturelle und keine strukturelle gewesen, so Hofer. Dementsprechend habe es auch nur konjunkturfördernde Maßnahmen gegeben und keine Strukturreformen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt habe sich schnell entspannt, als die Rezession überwunden war.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2013)