Griechenland: Streit um Budgetloch in Athen

Samaras, Troika, Griechenland
Samaras, Troika, Griechenland(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Regierung und Troika sind weiter auf Kriegsfuß. Premier Antonis Samaras will keine weiteren Kürzungen akzeptieren, die Geldgeber drängen darauf.

Wien/Athen. Die Kluft zwischen den Krisenländern der Eurozone hat sich in den vergangenen Wochen zusehends vertieft. Während Irland und Spanien der ungeliebten Troika bereits in wenigen Monaten Adieu sagen, hängt über Griechenland weiter die düstere Bedrohung einer Staatspleite. Der Besuch der Finanzkontrolleure in Athen brachte bisher keine Klarheit über die Haushaltslücke im kommenden Jahr. Die Regierung beziffert das Budgetloch auf lediglich 500 Millionen Euro, die Vertreter von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) gehen vom Dreifachen aus – mindestens.

Uneinigkeit herrscht deshalb auch über das Ausmaß der Sparmaßnahmen, die Griechenland noch leisten muss. Schon bei Ankunft der Kontrolleure in Athen vor zwei Wochen legte sich Ministerpräsident Antonis Samaras fest: „Weitere Kürzungen von Gehältern oder Pensionen wird es nicht geben“, bekräftigte der Regierungschef. Er hofft, dass der Fehlbetrag durch Reformen und ein verbessertes Eintreiben von Steuern eingesammelt werden kann. Die Troika drängt dagegen auf zusätzliche „Anstrengungen“, wie vorsichtig formuliert wird. Auch solle die Regierung klären, was aus Immobilien wird, deren Besitzer Kreditraten nicht zurückzahlen. „Wir brauchen mehr Fortschritte, bevor wir Entscheidungen treffen können“, bilanzierte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am Rande des Euro-Finanzminister-Treffens letzte Woche. Die nächste Tranche des zweiten Hilfspakets in Höhe von einer Milliarde Euro, die bereits im Oktober fällig gewesen wäre, hängt deshalb in der Luft.

„Drittes Hilfspaket ist wahrscheinlich“

Bisher hat Griechenland Hilfskredite in Höhe von 240 Milliarden Euro zugesprochen bekommen. Das zweite Rettungspaket läuft Ende des kommenden Jahres aus. Unterstützung wird der Dauerpatient aber auch 2015 und 2016 brauchen. Ein weiteres Hilfspaket scheint also unausweichlich – auch wenn die Euro-Finanzminister darüber offiziell erst im nächsten Jahr entscheiden wollen. Von zehn Milliarden Euro ist die Rede, kombiniert mit längeren Kreditlaufzeiten und Zinssenkungen. Gikas Chardouvelis, Leiter der Abteilung Wirtschaftsforschung in der Eurobank EFG, beziffert den Finanzbedarf Griechenlands 2014–2016 gegenüber der „Presse“ mit „höchstens 13 Milliarden Euro.“

Ein direkter Schuldenschnitt der öffentlichen Gläubiger wäre zwar „hilfreich, um Schuldenstand und Investorenrisiko im Land zu reduzieren“, analysiert der Experte. Dennoch ist diese Variante eher unrealistisch – sprechen sich doch große Staaten wie Deutschland klar dagegen aus. Daher glaubt auch Chardouvelis eher an den „indirekten Weg“: Eine Verlängerung der Laufzeiten und eine Senkung der Zinszahlungen. So könne ein zusätzliches Hilfspaket ohne eine drastische Erhöhung der ohnehin schweren Schuldenlast des Landes realisiert werden. „Unsere Kreditgeber haben viel Energie und Ressourcen in die Rettung Griechenlands investiert“, so Chardouvelis. „Sie wollen bestimmt nicht, dass das Projekt scheitert. Deshalb ist ein drittes Hilfspaket sehr wahrscheinlich.“

Doch nicht nur die wirtschaftliche Situation bleibt angespannt. Auch politisch kommt Griechenland nicht zur Ruhe. Erst vor einer Woche überstand Samaras zwar ein von der linken Oppositionspartei Syriza eingebrachtes Misstrauensvotum. Die Zustimmung der Bevölkerung aber ist längst verloren. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Griechen ihrem Ärger über die Sparpolitik nicht bei Großdemonstrationen Luft machen. Die Arbeitslosigkeit beträgt 27Prozent, bis Ende 2014 sollen 15.000 Staatsbedienstete gehen. Der perfekte Nährboden für politische Randparteien: Die Unterstützung für die rechtsextreme „Goldene Morgenröte“ ist zuletzt auf 8,8Prozent gestiegen.

AUF EINEN BLICK

Die Haushaltslücke Griechenlands für das kommende Jahr ist Streitpunkt der Regierung in Athen und der internationalen Geldgeber-Troika. Während Erstere den Betrag auf 500 Millionen Euro beziffert, gehen die Kontrollore vom Dreifachen aus. Uneinigkeit herrscht daher auch über die Sparmaßnahmen, die Griechenland noch zu leisten hat. Ein drittes Rettungspaket scheint aus heutiger Sicht unausweichlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2013)

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