Europa streitet über den Eurokurs

(c) EPA (DANIEL REINHARDT)
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Jetzt fordert auch der ungarische Notenbankchef einen schwachen Euro. Dabei kann man den hohen Eurokurs auch als Beweis dafür sehen, dass die EU-Politik in die richtige Richtung geht.

Wien/Graz. Der Euro sorgt wieder für Spannungen in Europa. Welcher Kurs ist der „richtige“? 1,10 US-Dollar pro Euro? 1,20? 1,30? Oder gar 1,36 – wie der Kurs derzeit steht? Der ungarische Notenbankchef György Matolcsy hat vergangene Woche mit einer Rede für Aufsehen gesorgt, in der er behauptete, EZB-Chef Mario Draghi hätte gegenüber anderen Notenbankern einen Kurs von 1,10 Dollar pro Euro als Idealziel ausgegeben.

Ein solcher Kurs würde eine inflationäre Weichwährungspolitik der EZB voraussetzen. In die andere Richtung sei ein Kurs von 1,60 die Schmerzgrenze, so Matolcsy. Aber: „Mit einem solchen Wechselkurs käme unter den Eurozonen-Ländern nur Deutschland zurecht“, so Matolscy. Schon ab einem Kurs von 1,30 seien die südlichen Länder auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Der Ungar schlug eine Anhebung des EZB-Inflationszieles von zwei auf vier Prozent vor.

Die EZB dementierte umgehend, dass Draghi sich so konkret zu Wechselkursen geäußert habe. Innerhalb der EZB herrscht seit Langem ein Streit zwischen „Tauben“ und „Falken“ bzw. zwischen Frankreich, das einen weichen Euro bevorzugt, und Deutschland, das eine Hartwährungspolitik verfolgen will.

Allerdings hat selbst eine Studie der Deutschen Bundesbank zuletzt belegt, dass die Einheitswährung den Spielraum von Nationalstaaten einschränkt und Anpassungsprozesse behindern kann. Anders gesagt: Der Euro kann zu schwach für Deutschland oder Österreich sein, aber gleichzeitig zu stark für Frankreich, Spanien, Italien oder Griechenland.

„Gefährliche Taktik“

Bleibt die Frage: Kann die EZB den Eurowechselkurs überhaupt noch nach unten manipulieren – selbst wenn sie es sich zum Ziel setzen würde? Der Euro wertet ja nicht auf, weil die europäische Geldpolitik so straff wäre. Im Gegenteil: Zuletzt hat die EZB den Leitzins auf ein absolutes Rekordtief gesenkt. Allerdings geht Europa nicht so weit wie die USA (Stichwort Quantitative Easing) oder Japan, wo Inflation inzwischen quasi zur Staatsräson erhoben wurde. Das lässt den Euro relativ stark erscheinen.

Dieses Problem sieht auch Dirk Baecker. „Quantitative Easing ist eine amerikanische Taktik zur Verdrängung der Konkurrenten aus dem Fernen Osten“, sagt der Soziologe im Gespräch mit der „Presse“. Schon vor der jüngsten Krise hätte Washington die Wirtschaft mit Geld „überversorgt“.

Baecker, der an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen lehrt, wird am Mittwoch in Graz an einer Debatte zum Thema teilnehmen (siehe Infobox). Er sieht die Geldpolitik der Federal Reserve als einen „Versuch, die westliche Wirtschaft auf einem Aktivitätslevel zu halten, das zumindest auf einem Niveau mit Brasilien oder China ist“. Dies sei aber eine „gefährliche Verzögerungstaktik“, so Baecker.

Statt die Krise zu übertünchen, sollte man den „Geldschleier wegreißen von den realen Prozessen der Welt und sich wieder auf die Wirklichkeit konzentrieren“. Und da sei Europa inzwischen weiter als die USA. „Wenn wir vom Austeritätsweg reden, dann gehen wir den realistischeren Weg“, so Baecker.

Auch sei die Debatte über den „dringenden Versuch“, aus der ultralockeren Geldpolitik der Gegenwart auszusteigen, in Europa weiter gediehen als in den USA. Sollte sich aber die Idee eines deutlich niedrigeren Wechselkurses durchsetzen, könnte dieser Vorsprung wieder verspielt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2013)


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