Griechenland: Das Athen-Dilemma der Gläubiger

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Lassen die internationalen Geldgeber von ihren Reformforderungen ab, riskieren sie ihre Glaubwürdigkeit. Bleiben sie hart, setzen sie die Kooperationsbereitschaft Athens aufs Spiel.

Brüssel. Seit dem Ausbruch der Eurokrise ist der Dezember jener Monat, in dem sich das finanzpolitische Geschehen in der EU verdichtet – auch heuer geht es wieder einmal darum, alle legistischen Schäfchen noch vor dem Jahresende ins Trockene zu bringen. Der heurige Endspurt, der mit dem heutigen Treffen der EU-Finanzminister offiziell beginnt, ist nicht anders – mit einer Ausnahme: Dieses Mal steht Griechenland nicht auf der Agenda.

Dass es um das einstige EU-Problemkind Nummer eins relativ still geworden ist, hat drei Gründe: Einerseits binden die Bauarbeiten an der Bankenunion, die – siehe oben – bis Jahresende in groben Zügen abgeschlossen werden sollen, alle Kräfte. Andererseits haben die griechische Regierung und die Troika der internationalen Geldgeber (EU, EZB, IWF) eine informelle Feuerpause vereinbart. Die nächste Abordnung der Troika-Experten wird erst im Jänner in Athen erwartet, eine Kredittranche von einer Milliarde Euro bleibt bis dahin eingefroren. Was allerdings wenig ausmacht, denn – und das ist der dritte Grund für die Ruhe – Athen ist seit Kurzem wieder in der Lage, die Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zu bringen.

Klammert man die Aufwendungen für den Schuldendienst aus, wird Griechenland heuer einen Überschuss von 800 Mio. Euro erreichen – nach Expertenansicht lassen sich damit alle laufenden Ausgaben bis Februar 2014 finanzieren. Und im kommenden Jahr soll dieser primäre Überschuss auf 2,9 Milliarden Euro bzw. 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung klettern – das sieht zumindest der am Sonntag im Parlament verabschiedete Budgetentwurf 2014 vor. Auch in der Leistungsbilanz werden demnach schwarze Zahlen geschrieben.

Umgekehrt proportional

Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht: Athen kann sich nun daranmachen, den Schuldenberg von 176 Prozent des BIPs abzutragen. Das Problem ist nur, dass budgetäre Lage und Reformbereitschaft in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zueinander stehen – das Einfrieren der Troika-Gelder wurde unter anderem mit mangelhaften Fortschritten bei Reformen im Verwaltungs- und Steuerbereich begründet.

Weiter angeheizt werden dürfte der Disput durch zwei Gesetzesvorhaben (betreffend Zwangsenteignungen von überschuldeten Immobilieneigentümern und Grundsteuern für Landwirte), die demnächst im Parlament debattiert werden und nicht mit der Troika akkordiert wurden. Allerdings können die internationalen Geldgeber, denen beide Gesetzestexte nicht weit genug gehen, nun mit weniger Nachdruck darauf hinweisen, denn die Regierung von Antonis Samaras ist vorerst (sofern die Budgetprognosen zutreffen) nicht mehr auf das Geld der Troika angewiesen. Somit steckt die Troika in einem Dilemma: Gibt sie nach, riskiert sie ihre Glaubwürdigkeit. Zeigt sie sich unnachgiebig, setzt sie die Kooperationsbereitschaft in Athen aufs Spiel – in der griechischen Bevölkerung ist der Sparwille nach sechs Jahren Rezession und angesichts einer Arbeitslosenquote von 27 Prozent ohnehin enden wollend.

Griechenland hat von seinen Helfern bereits 345 Mrd. Euro erhalten – Kredite von 240 Mrd. sowie ein 105 Mrd. Euro schwerer Schuldenschnitt. Damit dürfte es aber nicht getan sein: Ohne einen weiteren Schuldenerlass wird Athen wohl kaum aus eigener Kraft auf die Beine kommen. Das Problem ist nur, dass ein weiterer Haircut vor allem Europa treffen würde – EU-Staaten und IWF halten schließlich 84 Prozent der griechischen Verbindlichkeiten. Und an unerwünschte Nebenwirkungen derartiger Maßnahmen erinnerte am Montag Harris Georgiades. „Es war der griechische Schuldenschnitt, der den zypriotischen Bankensektor aus der Bahn geworfen hat“, warnte der zypriotische Finanzminister in Brüssel. Die Folge: Auch Zypern musste unter die Fittiche der Troika schlüpfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2013)

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