Griechenland: Alles wird zurückgezahlt - nur später

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Der Euro-Krisenstaat macht Druck für eine verlängerte Laufzeit seiner Hilfskredite. Athen führt die Gefahr einer politischen Radikalisierung und niedrige Marktzinsen ins Treffen.

Athen. Je niedriger die Renditen, desto lauter die Rufe nach einer weiteren Entlastung der rezessionsgeplagten Schuldner in der Eurozone. Im Windschatten des erfolgreichen irischen Ausstiegs aus dem internationalen Hilfsprogramm ist auch der Schuldendienst Griechenlands um ein Stück erträglicher geworden: Am Dienstag rutschten die Renditen für griechische Staatsobligationen mit der Laufzeit von zehn Jahren zum ersten Mal seit 2010 unter die Marke von acht Prozent – der richtige Zeitpunkt also, um von seinen Gläubigern noch etwas Milde einzufordern.

Angesichts der Tatsache, dass Athen seit Jahresbeginn den EU-Vorsitz innehat, mag dieser Wunsch unangebracht erscheinen. Für den stellvertretenden Regierungschef, Evangelos Venizelos, ist ein Entgegenkommen der Troika aus EU, EZB und IWF, die Athen seit dem Ausbruch der Schuldenkrise mit insgesamt 240 Mrd. Euro ausgeholfen hat, dennoch von essenzieller Bedeutung: Die Verschuldung der öffentlichen Hand beläuft sich auf rund 170 Prozent des BIPs, und für den Zeitraum 2014–2015 klafft eine Lücke von elf Mrd. Euro im Budget.

„Kein Mitglied der Eurozone hat im Zuge der Rettung Griechenlands einen Verlust erlitten“, betonte Venizelos am Mittwoch in Athen. Die Botschaft des Vizepremiers: Alle Schulden werden zurückgezahlt, über das Wann und Wie müsse aber verhandelt werden, und zwar „ernsthaft, denn wir sind unseren Partnern gegenüber immer korrekt gewesen“. Einen Schuldenschnitt, wie ihn private Gläubiger hinnehmen mussten, werde es für die europäische Krisenfeuerwehr nicht geben.

Was nach einer Quadratur des Kreises klingt, läuft auf einen Wunsch nach niedrigeren Zinsen und/oder längeren Laufzeiten für die Rückzahlung der Hilfskredite hinaus. Auf diese Weise würde die Schuldenlast zwar nominell gleich bleiben, real aber dahinschmelzen – je länger die Gläubiger auf ihr Geld warten, desto weniger ist es wert. Konkrete Forderungen wollte Venizelos gestern zum feierlichen Auftakt der griechischen EU-Präsidentschaft nicht formulieren, die Stoßrichtung ließ sich allerdings erahnen: Athen wünsche sich eine Diskussion über „potenzielle Anpassungen bei diversen Parametern“. Die Alternative dazu sei das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, die ungleich mehr kosten würde – vor allem die deutschen Steuerzahler, vor denen der Vizepremier „allergrößten Respekt“ hat. Wann die griechische Regierung das Thema ansprechen will, ist offen. Finanzminister Yannis Stournaras will abwarten, bis die EU-Statistikbehörde Eurostat die griechischen Defizitzahlen verifiziert und die neu geschaffene Bankenaufsicht die Bilanzen der größten Institute der Eurozone durchleuchtet hat. Dass Klaus Regling, der Chef des Euro-Hilfsfonds ESM, keinen Spielraum für weitere Erleichterungen sieht, nimmt man in Athen zwar zur Kenntnis, beruft sich aber im selben Atemzug auf eine Zusage der Euro-Finanzminister vom November2012, gegebenenfalls bei Zinsen und Laufzeiten nachzulegen.

Zugewinne für Populisten erwartet

Die Verhandlungsposition der Griechen ist aus zwei Gründen gestärkt: Erstens durch den Primärüberschuss, den Athen neuerdings erzielt – ohne Schuldendienst nimmt der griechische Staat mehr ein, als er ausgibt. Druckmittel Nummer zwei ist die prekäre innenpolitische Lage. Im Mai finden in Griechenland nicht nur europäische, sondern auch kommunale und regionale Wahlen statt– erwartet werden massive Zuwächse für die Populisten am linken wie rechten Rand des politischen Spektrums und ein katastrophales Abschneiden der bürgerlich-sozialistischen Regierungskoalition von Nea Dimokratia und Pasok. Alexis Tsipras, Chef der linkspopulistischen Partei Syriza, blieb dem gestrigen Festakt in Athen fern, und zwar aus Solidarität mit dem leidgeprüften griechischen Volk, wie seine Sprecherin wissen ließ. Sollten Griechenlands Gläubiger nicht Milde walten lassen, könnte die Regierung in Schwierigkeiten geraten, warnte Vizepremier Venizelos in der „FAZ“ – eine verklausulierte Warnung vor der EU-feindlichen Syriza, die gemäß Umfragen bereits die stärkste Partei des Landes ist. Insofern sind die Forderungen des Vizepremiers vor allem an das Publikum im Land gerichtet. Und auch seine Kritik an der Troika dürfte nicht primär an die Geldgeber Griechenlands adressiert sein: „Dass der IWF im Herzen der Eurozone sitzt, ist ein echtes Problem“, polterte Venizelos gestern. Überhaupt lasse die demokratische Verankerung der Troika zu wünschen übrig.

Abseits aller Denkspiele über die Zusammensetzung der Troika übt sich die griechische Regierung in demonstrativer Zuversicht. Nach sechs Jahren Rezession soll die griechische Wirtschaft heuer wieder wachsen – zwar um nur einen halben Prozentpunkt, aber immerhin. Selbst eine Rückkehr Griechenlands auf die Finanzmärkte ist im zweiten Halbjahr 2014 denkbar. Über die Frage, ob dieser Schritt angesichts eines Zinsniveaus von knapp acht Prozent sinnvoll wäre oder nicht, will man sich in Athen momentan nicht den Kopf zerbrechen.

IN ZAHLEN

Österreichs Anteil an der Griechenland-Hilfe beschränkt sich auf einen bilateralen Kredit in der Höhe von1,557 Milliarden Euro.Er brachte bisher Zinseinnahmen von
94,0 Millionen.Außerdem trägt Österreich einen Haftungsanteil von
3,0 Prozent an den Krediten des Euro-Rettungsschirms.

Das entspricht

bisher 4,0 Milliarden, die nur dann fällig wären, wenn Athen zahlungsunfähig

würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2014)

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