Währungsfonds warnt die Eurozone vor einer Deflation

Olivier Blanchard
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Wie erhofft, kehrt im heurigen Jahr das Wachstum nach Europa zurück. Die historisch niedrige Teuerungsrate macht es den Staaten und den Unternehmen allerdings schwerer, ihre Schulden zu verringern.

Washington. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält eine Deflation in der Eurozone für nicht mehr ausgeschlossen und bezeichnet die rasche und sorgsame Durchführung des Stresstests der europäischen Banken als „die wichtigste kurzfristige Aufgabe der Eurozone“.

Eine Deflation, also ein allgemeines Sinken der Preise, würde „höhere reale Zinssätze, höhere öffentliche und private Schuldenlasten, niedrigere Nachfrage und niedrigeres Wachstum“ nach sich ziehen, sagte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard am Dienstag in Washington bei der Veröffentlichung der routinemäßigen Anpassung des jährlichen Weltwirtschaftsausblicks.

Deflation schadet üblicherweise den Schuldnern, weil ihre auf Kredit finanzierten Vermögensgüter an Wert verlieren, ihre Schulden hingegen nicht. Angesichts der hohen Verschuldung vieler Staaten und Unternehmen in der Eurozone ist der Ausblick auf einen Preisverfall beunruhigend.

Zinsen sollen niedrig bleiben

„Je niedriger die Inflationsrate ist, umso gefährlicher ist das für die Erholung des Euro“, sagte Blanchard. Um diese Gefahr abzuwenden, müsse die Europäische Zentralbank ihren Kurs einer expansiven Geldpolitik mit Leitzinsen knapp über null Prozent vorläufig fortsetzen. Zugleich müssten jene überschuldeten Banken endlich abgewickelt werden, die im sechsten Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise noch immer nicht geschlossen sind, sondern mit Staatshilfen künstlich am Leben gehalten werden.

Die Inflationsrate in der Eurozone hat im Dezember mit 0,8Prozent im Jahresvergleich den niedrigsten Stand seit der Einführung der gemeinsamen Währung erreicht. Ein Jahr zuvor hatte sie noch 2,2Prozent betragen.

Der IWF hält seine Schätzung des Wirtschaftswachstums in der Welt fast unverändert. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt der Länder der Eurozone werde heuer um ein und 2015 um 1,4Prozent zunehmen; das wären um jeweils 0,1Prozentpunkte mehr, als der IWF im Oktober prognostiziert hatte. In den Kernländern der Währungsunion sehe es weiterhin rosiger aus als am kriselnden mediterranen Rand. „Südeuropa bleibt der am meisten Besorgnis erregende Teil der Weltwirtschaft“, sagte Blanchard. Zwar dürften die Mittelmeerländer heuer und 2015 dank gestärkter Ausfuhren wirtschaftlich wachsen.

US-Wirtschaft wächst stärker

Ein Teufelskreis aus geschwächten Banken, geschwächten Unternehmen und der Notwendigkeit der Haushaltssanierung lähme jedoch die eigene Binnennachfrage. Dieser Teufelskreis müsse durchbrochen werden, sagte Blanchard, legte sich aber nicht auf konkrete Maßnahmen fest.

Die USA werden heuer wie bereits 2013 wirtschaftlich stärker wachsen als Europa, nämlich voraussichtlich um 2,8 und nächstes Jahr um drei Prozent. Der IWF nimmt allerdings seine US-Prognose für nächstes Jahr um gleich 0,4 Prozentpunkte zurück, was an den Auswirkungen der automatischen Haushaltskürzungen liegt.

Die Wirtschaft in Mittel- und Osteuropa, der für Österreich wichtigsten Weltregion, wird heuer um 2,8Prozent und im Jahr darauf um 3,1Prozent wachsen, Russland hingegen nur um zwei Prozent heuer und 2,5Prozent 2015. Der IWF nahm seine Oktoberprognose für Russland um jeweils einen Prozentpunkt zurück: Keine andere Weltregion wurde derart stark heruntergestuft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2014)

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