Kampf gegen Steuerhinterzieher: Portugal verlost Luxusautos

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Die Regierung setzt auf Anreize anstatt auf Strafe. Die Schattenwirtschaft machte im vergangenen Jahr 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

So lang sie sich erinnern kann, hat die Rentnerin Maria Alice Silva vor ihren Freunden geheimgehalten, dass sie Lotto spielt. Neuerdings setzt die portugiesische Regierung auf das heimliche Laster der 76- Jährigen und vieler ihrer Landsleute, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Die Regierung will dieses Jahr für bis zu zehn Millionen Euro Luxusautos kaufen, um sie wöchentlich als Gewinn auszuloben.

Jedoch werden keine Lose verkauft: Stattdessen sollen die Bürger ihre Einkaufsquittungen einreichen. Die Idee dahinter: Geschäftsinhaber sollen daran gehindert werden, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen, wenn die Portugiesen immer einen Beleg verlangen. Alice Silva sammelt schon fleißig. "In ein paar Monaten werden das alle machen", sagt sie nach ihrem Wocheneinkauf in Lissabon. "Falls ich gewinne, kann ich das Auto verkaufen und das Geld kassieren."

Zuckerbrot statt Peitsche

Seit langem hinkt das Umsatzsteueraufkommen in südeuropäischen Ländern dem im Norden hinterher. Doch während einem Griechen, der beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen keine Quittung verlangt, der Besuch eines Steuerprüfers droht, hat sich Portugal für Zuckerbrot statt Peitsche entschieden. Die Idee wurde zuvor bereits in der Slowakei, in Taiwan und in Puerto Rico erprobt.

"Das ist clever, weil man so diejenigen belohnt, die das Gesetz befolgen, statt die zu bestrafen, die es brechen", sagt Friedrich Schneider, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Johannes-Kepler-Universität im österreichischen Linz und Fachmann für Schattenwirtschaft. "Solche Anreize funktionieren gut in Ländern, die arm sind und wo der Gewinn eines Autos etwas ganz Besonderes ist."

60 Ziehungen

Portugal gibt also Millionen Euro aus in der Hoffnung, an die Milliarden heranzukommen, die nach Regierungsangaben jedes Jahr am Fiskus vorbeigeschleust werden.
Die besondere Lotterie wird im April beginnen, gab Haushaltsminister Paulo Nuncio letzte Woche bekannt. Es wird innerhalb von zwölf Monaten bis zu 60 Ziehungen geben, bei denen "Oberklasse‘‘-Autos verlost werden. Die Regierung verhandele mit Fernsehsendern über die Ausstrahlung der ‘‘Glücksquittung‘‘- Lotterie, so Nuncio.

Und so soll es funktionieren: Quittungen mit der neunstelligen persönlichen Steuernummer eines Cafés, eines Friseursalons oder eines anderen Geschäfts werden automatisch in ein oder mehrere Lose umgewandelt, die an der Auslosung teilnehmen. Quittungen ab dem 1. Januar sind teilnahmeberechtigt; Jogos Santa Casa, der Betreiber der portugiesischen Lotterien, überwacht das Verfahren.
‘‘Die Regierung will Schluss machen mit dieser Plage, die Parallelwirtschaft genannt wird'', sagte Nuncio am 6. Februar auf einer Pressekonferenz in Lissabon. ‘‘Wenn wir sicherstellen, dass jeder seine Steuern zahlt, dann wird es leichter, in Zukunft die Steuerlast zu senken.''

Gegner wollen Umsatzsteuersenkung

Die Schattenwirtschaft machte 2013 dem Fachmann Friedrich Schneider zufolge 19 Prozent des portugiesischen Bruttoinlandsprodukts aus, verglichen mit etwa 13 Prozent in Deutschland. In Griechenland, wo die Mängel bei der Steuereintreibung für Streit mit den Gebern der Rettungskredite sorgten, lag der Anteil letztes Jahr bei 23,6 Prozent, so der Professor.

Gegner der neuen Lotterie in Portugal argumentieren, es sei zu zeitaufwändig, für jeden kleinen Kauf wie etwa eine Tasse Kaffee eine Quittung mit persönlicher Steuernummer zu fordern. Sie sende zudem das Signal aus, dass Glücksspiel gut sei, sagte José Manuel Esteves, Generaldirektor des Hotelier- und Restaurantverbands.
‘‘Es wäre klüger, wenn die Regierung den Umsatzsteuersatz senken würde'', sagt Esteves. ‘‘Jeder weiß, dass eine hohe Steuerlast zu einem Anstieg der Steuerhinterziehung führt.''

Portugal will Rettungsprogramm beenden

Portugal hat seit seinem Antrag auf ein 78-Milliarden-Euro- Hilfspaket von EU und IWF im Jahr 2011 jährlich die Steuern erhöht. 2012 hob das Land die Umsatzsteuer für bestimmte Betriebe, darunter Restaurants, von 13 Prozent auf 23 Prozent an. Laut EU-Kommission hat Portugal zusammen mit Griechenland, Irland und Polen den siebthöchsten Umsatzsteuersatz in der EU.
Den höchsten Satz hat Ungarn mit 27 Prozent, den niedrigsten Malta mit 18 Prozent.

Nach Irland will auch Portugal am 17. Mai das dreijährige Rettungsprogramm beenden. Um seine Finanzen in Ordnung zu bringen, versucht das Land, seine Einnahmen zu erhöhen und die Ausgaben zu senken. So will es sein Haushaltsdefizitziel von vier Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erreichen, nach etwa fünf Prozent im vergangenen Jahr. ‘‘Die neuen Maßnahmen sind ein Anreiz für die Leute, Steuern zu zahlen'', sagt Oscar Afonso, Vizepräsident der Beobachtungsstelle für Wirtschaft und Betrug an der Universität Oporto im Norden Portugals.
Alice Silva, die Rentnerin aus Lissabon, hat andere Motive.
‘‘Ich habe schon schwere Zeiten in meinem Leben gehabt, und darum spiele ich Lotto'', sagt sie. ‘‘Das ist eine Chance, meine finanzielle Lage zu verbessern.''

(Bloomberg)

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