EZB versorgt klamme Banken mit 500 Milliarden Euro

(c) Dapd (Torsten Silz)
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Die EZB wirft die Notenpresse an und pumpt eine halbe Billion Euro in den Bankenmarkt. Die Hoffnung: Entspannung auf den Anleihenmärkten. Die Gefahr: starke Inflation und langfristig ein Zerfall des Euro.

Wien/Jil/Ag. Es ist die größte Rettungsaktion in der Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB). Fast eine halbe Billion Euro (489 Mrd.) stellt sie den Banken der Eurozone zur Verfügung. Und zwar im Rahmen eines sogenannten Drei-Jahres-Tenders. Dieses langfristige Refinanzierungsgeschäft war von der EZB Anfang Dezember angekündigt worden. Die Banken bekommen das Geld zu dem Minizinssatz von einem Prozent.

Und sie brauchen es dringend: Im Jahr 2012 müssen Europas Banken 725 Milliarden an Schulden zurückzahlen – 280 Mrd. davon alleine im ersten Quartal. Auf dieses Problem hat der Zentralbankchef Mario Draghi erst am Montag hingewiesen. Seit seinem Amtsantritt Anfang November hat Draghi immer wieder betont, jede Liquidität zu Verfügung stellen zu wollen, die die Banken benötigen. Dieses Versprechen löst er jetzt ein. Im großen Stil. Die 500 Milliarden Euro sollen die Geldsorgen der Banken lindern und Anreize setzen: Banken sollen wieder verstärkt europäische Staatsanleihen kaufen und so die Zinslast, die auf den Staaten lastet, verringern. Aber Kritiker warnen: Die EZB spiele mit dem Feuer.

„Hilft, Bilanzen aufzupolieren“

Beobachter waren ursprünglich von einer Nachfrage nach rund 300 Mrd. Euro ausgegangen. Die Märkte reagierten auf die Bekanntgabe einer deutlich höheren Summe zunächst positiv. Auch der Euro stieg gegenüber dem Dollar – nur um dann wieder zu fallen. „Das Geld hilft den Banken, ihre Bilanzen aufzupolieren. Aber die Frage ist doch, warum sie so viel Geld brauchen. Der Aufwärtstrend auf den Märkten wird nur von kurzer Dauer sein“, sagte der Analyst Joshua Raymond von City Index.

„Die hohe Summe wurde ursprünglich positiv aufgenommen. Aber die riesige Nachfrage ist nicht gerade ein positives Zeichen und zeigt nur, unter welch großen Problemen die Banken in Europa leiden“, sagte Richard Driver, Analyst bei Caxton FX. „Die Märkte werden schließen, dass die EU wieder mal nur die Symptome behandelt und nicht die zugrunde liegende Schuldenkrise.“

Das frische Geld soll auch den eingefrorenen Interbanken-Kreditmarkt auftauen und einer vollständigen Kreditklemme vorbeugen. Das Hauptziel dürfte aber sein, die Nachfrage nach europäischen Staatsanleihen anzukurbeln.

Die Aktion hat aber zwei Haken. „Drucken“ von frischem Geld sorgt für Inflationsgefahr. Es stellt sich auch die Frage, ob die EZB hier nicht ihre eigenen Regeln bricht. Staatsfinanzierung per Notenpresse ist ihr verboten – nicht aber, Banken mit Liquidität zu versorgen, damit diese bei Staatsanleihen zugreifen. Bill Gross, Chef des weltgrößten Anleiheninvestors Pimco, nennt die Aktion ein „Hütchenspiel“ – das Geld wandere bloß von einer Tasche in die andere.

Konsequenzen nicht berechenbar

Die Analysten von GaveKal warnen in ihrem aktuellen Newsletter vor einer Konsequenz dieser Aktion, die die EZB so offenbar nicht bedacht hat:

„Es ist wichtig zu bedenken, dass Banken dazu neigen werden, Anleihen ihrer eigenen Staaten zu kaufen. Wegen des politischen Drucks, aber auch wohlüberlegt. Denn sollte der Euro jemals zerbrechen, wird eine italienische Bank keine griechischen oder spanischen Anleihen halten wollen. Das Wechselkursrisiko wäre unberechenbar. Das Ergebnis dieses Gelddruckens der EZB wird also sein, dass die Bankensektoren nach und nach renationalisiert werden. Das würde den südeuropäischen Staaten helfen, Staatsbankrotte zu vermeiden. Aber es macht einen Eurozerfall auch weniger schmerzhaft – und deswegen wahrscheinlicher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2011)

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