„Vertrauensverlust in europäische Politik ist enorm“

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Symbolbild(c) AP (Remy de la Mauviniere)
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Zweifel an der Bonität europäischer Triple-A-Länder brachten Standard & Poor's und seinen Konkurrenten in der Vergangenheit immer große Kritik ein. Die Agenturen verteidigen sich mit dem Hinweis darauf, dass sie nur die Gegebenheiten des Marktes in Noten umformen.

[Wien] Eines ist nach der Herabstufung des Ratings der bisherigen Triple-A-Länder Frankreich und Österreich sowie der Senkung des Ausblicks für die Niederlande, Luxemburg und Finnland durch die US-Ratingagentur Standard & Poor's sicher: In vielen Reaktionen auf die Entscheidung wird wieder die Kritik an den Bonitätswächtern vorherrschen und weniger auf die Gründe für die Herabstufungen eingegangen werden.

So war das schon, als S&P am Abend des 5. Dezember 15 Euroländer auf „Creditwatch negative“ setzte und die kollektive Überprüfung der Ratings ankündigte (nur Zypern und Griechenland wurden damals ausgelassen, weil ersteres bereits einen negativen Ausblick hatte und Griechenland als bankrott gilt).

Nationalbank-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny sah das Vorgehen von S&P damals als „politisch motiviert“. Der Chef-Analyst der Erste Bank Fritz Mostböck meinte: „Die Ratingagenturen sind jetzt offensichtlich vollkommen durchgeknallt.“ Und Ludwig Scharinger, Chef der Raiffeisenbank Oberösterreich, sah sogar ein „angloamerikanisches, imperialistisches“ Vorgehen.

Eine Frage der Psychologie

Der für das Rating verantwortliche deutsche Europa-Chefanalyst von S&P, Moritz Kraemer, verteidigte im Dezember in einer Telefonkonferenz das Vorgehen der Ratingagentur. „Das ist unsere Art zu sagen, dass der Vertrauensverlust der Märkte in die europäische Politik enorm ist, und es jetzt entschlossene Handlungen braucht.“ Wie diese Handlungen aussehen sollen, könne er aber nicht sagen. „Wir sind eine Ratingagentur und keine Politikberater“, so Kraemer.

Bei der Einstufung des Ratings seien für S&P weniger die konkreten Schritte der europäischen Politik entscheidend, sondern vielmehr, ob durch diese Schritte das Vertrauen der Investoren wieder hergestellt werden kann. „Brüssel muss sich zurzeit vielleicht mehr mit Psychologie als mit harten Wirtschaftsfakten beschäftigen.“

Es gehe also weniger darum, „ob das Pensionsantrittsalter in einigen Ländern um ein oder zwei Jahre angehoben wird“, sondern ob die „Vertrauenskrise der gesamten EU-Politik“ behoben werden kann. Welche der möglichen Maßnahmen wie Eurobonds oder das definitive Anwerfen der EZB-Druckerpresse die beste wäre, um das verlorene Vertrauen zurückzuholen, müsse die Politik jedoch selbst entscheiden.

S&P schärfer als die Konkurrenz

Viele fragen sich nun, warum S&P Herabstufungen durchführt, während Konkurrent Moody's erst im Dezember das Triple A von Österreich bestätigt hat. Eine Antwort darauf ist, dass S&P sich schon in der Vergangenheit als wesentlich schärfer gegenüber verschuldeten Staaten gezeigt hat. So ist sie bislang auch die einzige der drei großen Ratingagenturen, die den USA das Triple-A entzogen hat. Zudem erfolgte bei Moody's die Bestätigung des heimischen Triple A bereits Ende November, also noch bevor S&P Österreich überhaupt auf „Creditwatch negative“ gesetzt hatte. Im Dezember erschien lediglich der Abschlussbericht zu Österreich. Und die einem französischen Konzern gehörende britisch-amerikanische Agentur Fitch war schon in der Vergangenheit meist ein „Rating-Nachzügler“.

Doch auch die Rating-Agenturen folgen mit einiger Zeitverzögerung den Gegebenheiten am Finanzmarkt. Wie „Die Presse“ mehrfach berichtete, hatte Österreich an dem Märkten de facto bereits im Herbst 2011 sein „AAA“ verloren. Dieses Nachhinken ist aktuell auch ein Grund zur Hoffnung. Denn bei den jüngsten Anleihenauktionen konnten Krisenländer wie Spanien und Italien wieder niedrigere Zinsen erzielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2012)

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