Die Herabstufung durch S&P kam nur für die Politik überraschend. Die Ratingagentur vermisst ernsthafte Reformbemühungen auf europäischer, aber auch auf österreichischer Ebene.
Der Bericht ist drei A4-Seiten lang und liest sich relativ trocken, birgt aber dennoch einiges an Sprengstoff, was die finanzpolitische Zukunft Österreichs und der Europäischen Union betrifft. „Die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 9. Dezember 2011 sowie darauf folgende Aussagen der Politiker [...] adressieren die finanziellen Probleme der Eurozone [...] keineswegs ausreichend“, schreibt Standard & Poor's als Begründung für die Herabstufung der Bonität von neun Euroländern. Auch mit Österreichs Vertretern ist die Agentur unzufrieden: „Unseren Kriterien entsprechend haben wir auch das politische Rating für Österreich gesenkt.“
Liest man die Einschätzung der Bewerter, zeigt sich, dass die Senkung des Rating-Daumens über Österreich nicht nur im Zusammenhang mit den Risken der heimischen Banken in Italien und Osteuropa zu sehen ist – die Regierungsspitze betonte nämlich Freitagabend, dass genau dieser Punkt für die Herabstufung von AAA auf AA+ hauptverantwortlich gewesen sei.
Wird die Zinsenlast schwerer? Welche Schritte die Regierung nun im Detail unternehmen soll, um eine weitere Verschlechterung der Kreditwürdigkeit zu verhindern, erläutert Standard & Poor's im Detail nicht. „Wir sind eine Ratingagentur, keine Politikberater“, sagte der zuständige Analyst Moritz Kraemer bereits im Dezember in einer Telefonkonferenz. Klar ist aber, dass gespart werden muss: Im Abschlussbericht spricht S&P unter anderem von einer „Konsolidierung“ sowie einer „schnelleren Schuldenreduktion als im Budgetplan ausgewiesen“.
Derzeit sitzt Österreich auf einem Schuldenberg von 218 Milliarden Euro oder knapp 75 Prozent der Wirtschaftsleistung. Inkludiert man alle ausgelagerten Schulden, beispielsweise jene der ÖBB und der Asfinag, übersteigt die Schuldenlast die Marke von 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Geht es nach der Regierung, werden die Staatsschulden noch ein bis zwei Jahre lang ansteigen, ehe es ab 2014 wieder abwärts gehen soll.
Ob dieser Plan aufgeht, wird nicht zuletzt von den Zinsen abhängen, die die Republik den Investoren zahlen muss, um das Schuldenmachen weiterhin zu finanzieren. Bis 2015 laufen Staatsanleihen im Ausmaß von 100 Milliarden Euro aus. Diese muss Österreich refinanzieren. Derzeit verlangen Investoren für zehnjährige Staatsanleihen eine Rendite von knapp über drei Prozent. Zum Vergleich: Deutschland muss nur 1,75 Prozent bieten. Würde Österreich ähnlich stabil wie Deutschland eingestuft werden, ersparte sich die Republik in den kommenden drei Jahren jedenfalls mehr als eine Mrd. Euro – bloß für die Zinsen.
Schuldenbremse in die Verfassung? Allerdings deutet relativ wenig darauf hin, dass sich Österreich in naher Zukunft der Kreditwürdigkeit Deutschlands annähern wird. Während Europas größte Volkswirtschaft nicht nur über ein Triple A, sondern auch einen stabilen Ausblick verfügt, muss Österreich selbst um die schlechtere Bonität AA+ zittern. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Rating 2012 oder 2013 weiter absenken, liegt zumindest bei einem Drittel“, schreibt S&P und senkte den Ausblick auf „negativ“.
Die Gretchenfrage ist, ob es Österreich schaffen wird, den Investoren und den Ratingagenturen zu versichern, dass aufgenommene Schulden auch in Zukunft zeitgerecht zurückgezahlt werden können. Während S&P keine politischen Empfehlungen abgibt, wie das gelingen könnte, bezog sich Moody's bereits im Dezember auf eine konstitutionelle Schuldenbremse. Im Gegensatz zu S&P bestätigte der Konkurrent zwar das Triple A, wies aber darauf hin, dass ein maximales strukturelles Budgetdefizit von 0,35 Prozent erforderlich sei, um die beste Kreditwürdigkeit nicht zu verlieren. „Österreich müsse „schnelle und richtungsweisende Entscheidungen treffen“, führte Moody's aus. Bislang konnte die Regierung die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat nicht erreichen.
Staatshilfe für die Banken? Mit ziemlicher Sicherheit weiter verschlechtern wird sich Österreichs Kreditwürdigkeit, wenn eines der großen Finanzinstitute des Landes in ernsthafte Schwierigkeiten geriete, betont S&P. So sei die Möglichkeit einer „Rekapitalisierung der Banken durch die Regierung“ ein großer Risikofaktor.
Tatsächlich sind die heimischen Institute in Osteuropa unumstrittener Marktführer. In Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs vergaben sie viele Kredite, ohne ausreichend Sicherheiten einzuholen. Nun verschlechtert sich die Wirtschaftslage, vor allem in Ungarn und Rumänien, und viele Darlehen könnten sich als uneinbringlich erweisen. Bevor „Systembanken“ wie Erste Bank, Bank Austria oder Raiffeisen Bankrott gingen, würde aber der Staat rettend einspringen, vermutet S&P – was einen sofortigen Anstieg der Staatsschuld auf mehr als 80 Prozent des BIPs zur Folge hätte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)