Alle unter Deutschlands Schirm

Nur Deutschland blieb vom Verdikt von Standard & Poor's zur Gänze verschont. Der Rettungsschirm aber droht sein Toprating zu verlieren. Damit wird die Last für den größten Bürgen der Eurozone noch größer.

Viel schmeichelhafter hätte das Lob kaum ausfallen können. Deutschland sei eine „moderne, hoch diversifizierte und wettbewerbsfähige Volkswirtschaft“, rühmte Standard & Poor's. Auch die Regierung könne durch ihre „vernünftige Haushaltspolitik und Ausgabendisziplin“ eine „Erfolgsbilanz“ vorweisen. Der Lohn dafür: Als einziger Staat der Eurozone blieb Österreichs großer Nachbar vom Rundumschlag der Ratingagentur zur Gänze verschont.

Zwar konnten auch die Niederlande, Finnland und Luxemburg das AAA-Rating bewahren, aber ihr Ausblick wurde auf negativ gesenkt. Umso mehr flüchten die Investoren in deutsche Staatsanleihen. Die Renditen für zehnjährige „Bünde“ rutschten am Freitag unter die Marke von 1,8 Prozent. Das liegt unter der Inflationsrate. Wer dem deutschen Staat Geld leihen darf, muss dafür zahlen.

Frankreich hingegen hat seine Bestnote verloren. Der Schritt war erwartet worden: Schon längst ist eine unterschiedliche Bewertung der deutschen und französischen Staatsschulden eingepreist. Der offizielle Entzug des vollen Vertrauens für die „Grande Nation“ verleiht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel eine noch dominantere Führungsrolle in der Eurozone.

Aber all das ist kein Grund zur Freude unter deutschen Politikern. Finanzminister Wolfgang Schäuble weiß zu gut: „Wir haben ein gemeinsames Schicksal in Europa, deshalb lässt uns das alles nicht gleichgültig.“ Was nun auf dem Spiel steht, ist vor allem die Zukunft der Euro-Rettungsschirme.

Last für den Hauptbürgen. Der aktuelle Schutzmechanismus EFSF muss sich seine Finanzhilfen für Krisenstaaten durch eigene Anleihen besorgen, die bisher mit der Höchstnote bewertet wurden, die aber stark am Schwergewicht Frankreich hingen. Umso schwerer liegt die Last nun auf den Schultern Deutschlands. John Chambers, der Vorsitzende des Länderrating-Komitees von S&P, hat die Marschrichtung schon vorgegeben: Wenn der EFSF seine Benotung halten will, müssen die noch verbleibenden AAA-Länder ein größeres Engagement eingehen. Also noch mehr deutsche Garantien und noch mehr Risken für den bislang ungeschorenen Hauptbürgen der Währungsunion. Am Ende würde er als letzte Festung fallen.

Um diesem Schicksal zu entgehen, könnte alternativ das Kreditvolumen des Fonds reduziert werden. Doch dann bliebe vom Schutz, der den Investoren Vertrauen einflößen soll, nichts mehr übrig. Bleibt als letzte Alternative nur, die bald zu erwartende Rückstufung des Rettungsfonds einfach hinzunehmen – in der Hoffnung, dass die Finanzierungskosten nicht allzu sehr steigen. Ein Zeit lang könnte das gut gehen: Für eine Rettung von Irland oder Portugal ließe sich auch so genügend Geld zu akzeptablen Konditionen einsammeln. Nicht aber für die Schwergewichte Italien und Spanien.

Deshalb haben die Euro-Granden es auch so eilig, den endgültigen Rettungsschirms ESM einzuführen – Mitte 2012, ein Jahr früher als geplant. Sein Vorteil: Er arbeitet mit Eigenkapital der Geberländer, 80 Milliarden Euro, die nun rasch eingezahlt werden sollen. Deutschland muss fast ein Drittel beitragen. Der neue Schirm sei durch neue Länderratings nicht mehr „so unmittelbar beeinträchtigt“, hofft Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Wenn die Kreditgeber aber in der Folge mehr Schulden aufnehmen müssen, gefährdet das wiederum ihre eigene Bonität.

Retter der Eurozone? Wie man es also dreht und wendet: Das Geld, das zu einer echten Abschirmung gebraucht wird, ist nicht da – nach der Degradierung Frankreichs und Österreichs weniger denn je. Der CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Willsch fordert deshalb im „Handelsblatt“, das bisherige Krisenmanagement zu überdenken: „Es muss endlich Schluss gemacht werden mit dem abwegigen Vorhaben, Länder ganz vom Finanzmarkt zu nehmen und vollständig über Hilfsmechanismen mit Schuldenvergemeinschaftung zu refinanzieren.“ Sonst gehe Deutschland als „Retter der Eurozone“ selbst unter – durch die Lasten, die ihm aufgebürdet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)

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