Griechenland: "Beinahe-Infarkt nach IWF-Intervention"

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Athen möchte die Verhandlungen bis Mitte Februar abgeschlossen haben. EU, IWF und EZB fordern aber offenbar eine Zinsobergrenze bei neuen Anleihen.

Die Griechen blicken gespannt nach Brüssel. Die Chancen auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen Griechenlands mit seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt sind offenbar deutlich gestiegen. Die Euro-Finanzminister haben Montag abend ihre Bemühungen für die Rettung des schwer verschuldeten Griechenland fortgesetzt. Schwerpunkt war dabei die Debatte über die Privatbeteiligung im Rahmen des noch konket auszuverhandelnden zweiten Hilfspakets für Athen. Uneinigkeit habe es über die Konditionen für die Privatbeteiligung der Banken am Schuldenschnitt von 50 Prozent gegeben. Die Banken wollen einen höheren Zinssatz, die Griechen günstige Bedingungen haben.

Ziel der Griechen sei es, die zähen Verhandlungen bis Mitte Februar unter Dach und Fach zu haben. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Montagabend aus Kreisen des Athener Finanzministeriums. "Die Verhandlungen verlaufen gut. Die Gespräche werden intensiv weitergeführt", sagte ein enger Mitarbeiter des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos. Ziel sei es, bis zum 13. Februar ein offizielles Angebot und einen Abschluss der Verhandlungen zu haben.

Griechen-Pleite kein Thema

Beim Finanzminister-Treffen sei jedenfalls  das Szenario einer Pleite Griechenlands kein Thema gewesen, hieß es in EU-Ratskreisen am Abend. Grundsätzlich seien alle der Meinung, dass die Anstrengungen der griechischen Regierung zwar gut seien, aber trotzdem zu wenig. Es müssten sich alle zum Sparkurs bekennen. Berichte, wonach bereits 90 Prozent der Banken für die Privatbeteiligung ihre Zusage gegeben hätten, wurden nicht bestätigt.

Den teilweisen Schuldenerlass für Athen sollen die privaten Gläubiger freiwillig schultern. Ihr Engagement ist ein entscheidender Baustein für das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland. Die privaten Gläubiger, darunter Banken und Hedge-Fonds, sollen bestehende Anleihen in neue tauschen, dabei auf Teile ihrer Forderungen verzichten und auch niedrigere Zinsen in Kauf nehmen.

Kommt "historischer Deal" zustande?

Seit vergangenem Mittwoch verhandelten in Athen der Chef des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, mit dem griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos und Finanzminister Evangelos Venizelos. Konkrete Ergebnisse gab es bisher nicht. Dallara war am Samstag aus Athen nach Paris abgereist.

Vor seiner Abreise hatte es optimistische Erklärungen seitens des Bankenverbandes gegeben: Elemente eines "noch nie dagewesenen freiwilligen Schuldenschnitts" würden in die Tat umgesetzt, hieß es. Es müsse jetzt entschlossen gehandelt werden, um diesen "historischen Deal" zu einem Ende zu bringen und Griechenland, den Euroraum und die Weltwirtschaft zu stabilisieren.

Zweifel an Zeitplan

Unsicher aber ist, ob die angestrebte Absichtserklärung an diesem Montag fertig sein kann. Dem Vernehmen nach hatte die griechische Seite am Freitag eine Vereinbarung mit dem Bankenverband erreicht. Die neuen griechischen Staatsanleihen, die die alten nach dem Schuldenschnitt ersetzen sollen, sollten demnach einen Zinssatz von im Durchschnitt vier Prozent haben.

Dann aber sollen sich Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben. Sie hätten darauf bestanden, dass der Zinssatz auf weniger als drei Prozent fallen sollte. Anderenfalls bestehe vor allem nach Ansicht des IWF keine Möglichkeit, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann, berichteten griechische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise.

"Beinahe-Infarkt nach IWF-Intervention"

"Beinahe-Infarkt nach der Intervention des Internationalen Währungsfonds", schrieb am Montag die Athener Zeitung "Ta Nea". Den "Gordischen Knoten" müsse nun die Eurogruppe in Brüssel zerschlagen, hieß es im griechischen Radio.

Selbst wenn eine Absichtserklärung vorliegt, würde das jedoch noch nicht bedeuten, dass der Schuldenschnitt damit perfekt ist. Ein Erfolg hängt am Ende davon ab, wie viele Banken und andere Besitzer griechischer Staatsanleihen mitmachen und auf Geld verzichten. Angepeilt ist die Summe von 100 Milliarden Euro.

Merkel rechnet mit baldigem Abschluss

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf die Frage, ob Athen möglicherweise einen Überbrückungskredit benötige, falls die Verhandlungen nicht vorankämen: "Die Frage eines Überbrückungskredits stellt sich für mich nicht. Ich gehe davon aus, dass wir die Verhandlungen der privaten Gläubiger und das neue Griechenland-Programm zu einem gemeinsamen Zeitpunkt so rechtzeitig fertig haben, dass es keinerlei neuen Überbrückungskredit braucht." Die Troika sei zur Zeit in Griechenland. Danach müsse alles zusammengeführt werden. Das neue Programm muss bis März stehen. Bis dahin sei also ausreichend Zeit.

Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Amtskollege Francois Baroin rechneten mit einem schnellen Abschluss der Verhandlungen. Dies machten sie im Anschluss an den deutsch-französischen Wirtschafts- und Finanzrat in Paris deutlich.

Griechenland: 352 Milliarden Euro Schulden

Griechenland sitzt derzeit auf einem Schuldenberg von rund 352 Milliarden Euro. Das entspricht 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Erlaubt sind nach den EU-Spielregeln eigentlich allenfalls 60 Prozent. 206 Milliarden Euro an Forderungen befinden sich in den Händen von Privatleuten, Banken, Versicherungen und Hedge Fonds.

Sollte der Schuldenschnitt wie erhofft gelingen, könnten die Schulden nach Schätzungen der EU und des Internationalen Währungsfonds IWF zunächst auf 152 Prozent fallen. Bis 2020 sollen sie auf 120 Prozent sinken - allerdings unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft nach mehrjähriger Rezession ab 2013 wieder deutlich wächst. Dies jedoch ist bisher nicht in Sicht.

Banken vs. IWF

Aus diesem Grund äußerte der IWF Bedenken über den Zinssatz. Die Banken dagegen meinen, ein Zinssatz von drei Prozent würde niemanden locken, am Schuldenschnitt teilzunehmen.

(Ag.)

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